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Kultur und Geschichte
der Grafschaft Glatz (Schlesien)

Natürliche Gegebenheiten

Karte der Grafschaft Glatz
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Wenn für Schlesien insgesamt immer wieder seine Brückenfunktion – zwischen West und Ost, aber auch zwischen Nord und Süd, zwischen Deutschen und Slawen – betont worden ist, so gilt diese Aussage auch und gerade für die Grafschaft Glatz.
Im Südwesten Schlesiens und zwischen diesem und dem böhmisch-mährischen Raum gelegen, ist der Glatzer Kessel gleichsam von natürlichen Grenzen umgeben: vom Eulen-Wartha-Reichensteiner Gebirge im Osten, dem Glatzer Schneegebirge und dem Bielen-Gebirge im Süden, dem Habelschwerdter Gebirge, dem Adler- und Mensegebirge im Westen sowie dem Heuscheuergebirge im Nordwesten. Jedoch boten die Pässe von Wartha, Mittelwalde und Hummel natürliche Durchlässe (nach Schlesien und Breslau, nach Brünn und Wien, nach Prag) so daß der Glatzer Kessel durch die Jahrhunderte ein Durchgangsland war.
Naturräumlich ist Schlesien das Stromgebiet der oberen und mittleren oder mit ihren vielen Nebenflüssen. Einer von ihnen ist die Glatze Neiße, welche die Wasser des Glatzer Landes sammelt und über den Durchbruch bei Wartha der Oder zuführt. Die natürliche Verbindung des Glatzer Landes mit Schlesien liegt damit offen. Im Süden und Westen des Glatzer Kessels hingegen führen leicht begehbare Pässe – bei Mittelwalde und zwischen Hummel und Nachod – ins innere Böhmens. Diese Tatsache und die Kessellage in einer Aufspaltung des Sudetenzuges in die schon genannten Gebirge machen das Glatzer Land zu einem Zwischen- und Übergangsland zwischen Böhmen westlich und Schlesien östlich der Sudeten, und zwar etwa auf der Hälfte des alten Verkehrsweges zwischen Prag und Breslau. So ist es zum einen nicht verwunderlich, daß in diesem Raum schon früh in der Stein-, Bronze- und frühen Eisenzeit Menschen wohnten und zum anderen, daß das Glatzer Land in historischer Zeit politisch bald zu Böhmen, bald zu Schlesien gehörte. Es wurde so von beiden Seiten geprägt.
Die geschilderte Einkesselung von Gebirgszügen brachte es aber auch mit sich, daß das Glatzer Land eine geschlossene Einheit bildete und in dem größeren Raume eine gewisse Eigenständigkeit erlangte. Landschaftliche Vielfalt und Schönheiten der Grafschaft machten sie darüber hinaus gleichsam zu dem "Herrgottswinkel Schlesiens", der mit der Festungsstadt Glatz, den Städten und Kurorten/Bädern sowie den kulturellen Höhepunkten einen besonderen Reiz entwickelte. Er ragt wie ein Erker aus der Sudetenmauer nach Süden in das böhmisch-mährische Gebiet hinein.
Die Grafschaft Glatz, in deutscher Zeit der südlichste Teil des niederschlesischen Regierungsbezirks Breslau mit den Kreisen Glatz (einschließlich Neurode) und Habelschwerdt, umfaßte eine Bodenfläche von 1636 km² mit über 180.000 Einwohnern (1939). Auch heute liegt die Einwohnerzahl in dieser Höhe; die Städte Glatz, Neurode und Habelschwerdt sowie einige Bäder haben seit dem Zweiten Weltkrieg, wenn auch zum Teil durch Eingemeindungen bei der polnischen kommunalen Neugliederung, einen Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen, während viele Ortschaften weit geringere Einwohnerzahlen aufweisen oder besonders in Grenznähe und im Gebirge teilweise oder ganz verfielen oder aufgegeben wurden.
In diesem Glatzer Kessel liegt die Kreisstadt Glatz in der tiefsten Einsenkung mit ca. 294 m über NN nur unwesentlich über dem niedrigsten Geländepunkt mit ca. 266 m über NN an der Neiße bei Neißtal, sieben Kilometer nördlich von Glatz. Der Glatzer Schneeberg im Süden hingegen erreicht mit 1.425 m über NN die größte Höhe. Aber auch zwei weitere Gebirgszüge erreichen Höhen über 1.000 m: die Hohe Mense (1.084 m) und die Hohe Eule (1.014 m). Auch die Heuscheuer, nordwestliche Begrenzung der "Bergfestung", kommt mit ihrer höchsten Erhebung von 919 m den genannten Höhenwerten nahe. Somit beträgt die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Geländepunkt beträchtliche 1.160 m.
Demzufolge sind auch die klimatischen Gegebenheiten – großräumig stark kontinental geprägt – recht differenziert. Sie reichen von den rauhen Klimawerten im Bereich des Schneeberges (nur 120 frostfreie Tage im Jahr, große Nebelhäufigkeit) und der Hohen Mense bis zu gemäßigteren Daten im Inneren des Kessels. Hier liegen die Niederschläge um 700 mm pro Jahr und die mittleren Jahrestemperaturen zwischen 6 und 7 Grad. Die Niederschlagswerte steigen in den hohen Lagen auf 1.000 bis 1.200 mm an, und die mittleren Jahrestemperaturen sinken auf 2-3 Grad ab. Entsprechend verkürzt sich die Vegetationszeit in den Gebirgslagen.
Die geologischen Verhältnisse sind im Bereich der Gebirgszüge meist durch sehr alte Gesteine, Gneise und Granite, geprägt. Im Bereich der innersudetischen Mulde bildeten sich die Steinkohlelager des Karbons, die im Nordosten in die Grafschaft hereinragen (Neurode-Schlegel-Mittelsteine). Immer wieder stiegen auch vulkanische Gesteine auf, und das Kohlendioxid der heutigen Sauerbrunnen und Mineralwässer geht auf diese vulkanische Tätigkeit zurück. Die Heuscheuer besteht, wie auch das Elbsandsteingebirge, aus Quadersandstein des Kreidemeeres. Hier hat die Erosion im Laufe der Jahrmillionen bizarre Formen und märchenhafte Gebilde geschaffen. Kalke treten in größeren Massen auf, in denen auch Höhlenbildungen vorkommen. Erze werden ebenfalls angetroffen.
Im Tertiär erhielt die Landschaft des Glatzer Kessels ihre heutige Ausformung. Es erfolgten Brüche in der Erdkruste, an denen die alten Gebirge wieder aufstiegen, während das Innere des Kessels stehen blieb oder absank. Im Diluvium drang das Eis über einige Pässe in den Kessel ein. Aber erst nach dessen Abschmelzen erfolgte die Wiederbesiedlung des Landes mit Vegetation. Später wurde das Landschaftsbild wohl am stärksten verändert durch die Rodung der Wälder im Mittelalter. So ist das Innere des Gebirgskessels von zahlreichen niedrigeren Höhen durchzogen, teils bewaldet, teils durch Ackerbau genutzt.

Günter Kroner

 

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