Kultur und Geschichte
der Grafschaft Glatz (Schlesien)
Verkehr
Uralte Handelsstraßen führen durch das Glatzer Land. Seine Pässe erleichterten den Warenverkehr zwischen der Ostsee über Schlesien einerseits und Böhmen sowie dem Donauraum bis hinab zum Mittelmeer andererseits. Diese Straßen hatten immer auch strategische Bedeutung; darüber ist noch zu berichten.
Der Böhmische Steig - auch Glatzer Straße genannt - verband von alters her Glatz nach Norden über den Warthapaß mit Schlesien und seiner Metropole Breslau sowie mit Polen, nach Südwesten vorbei am Hummelschloß über den Hummelpaß bei Reinerz/Lewin, über Nachod und Königgrätz mit Prag. Nach Süden führte die Straße (1833 Staats-Chaussee) von Glatz über Habelschwerdt und den Paß bei Mittelwalde/ Bobischau nach Brünn und Wien.
Diese Hauptverkehrswege, bis 1945 Reichsstraßen, sind auch heute gut ausgebaute Fernverkehrsstraßen. Die Straße Breslau-Wartha-Glatz-Reinerz-Nachod (früher bis Glatz R 116, ab Glatz R 325, später R 150) ist Teil der Europastraße E 67 und von den Polen nach 1945 durch eine Reihe von Ortsumgehungen wesentlich verkehrsgünstiger ausgebaut worden; das gilt auch für die Straße Glatz-Habelschwerdt-Mittelwalde-Bobischau, die Fortsetzung der alten Reichsstraße 116. Von Bedeutung sind jetzt wie früher auch die Landstraßen von Glatz über Neudeck oder über Landeck nach Reichenstein und Oberschlesien, von Glatz (alte R 152) über Neurode nach Waldenburg/Hirschberg/Görlitz, von Neurode über Tuntschendorf nach Braunau (die alte Reichsstraße 150) oder von Neurode über Silberberg nach Reichenbach. Die vor dem 2. Weltkrieg längs der gesamten Sudeten geplante Sudetenstraße
wurde nur in Teilstücken fertiggestellt, so in der Grafschaft die Strecken Brand-Lichtenwalde-Seitendorf und Lauterbach-Mittelwalde.
Der inneren Erschließung dienen die Straßen Seitenberg-Landeck-Eisersdorf, Altheide-Habelschwerdt, Wilhelmsthal-Marienthal-Langenbrück-Grunwald, Brand-Habelschwerdt, die 1855 eingeweihte Straße Wünschelburg-Neurode und die im Jahre 1871 fertiggestellte Heuscheuerstraße Wünschelburg-Kudowa.
Schon 1767 gab es das Schlesische Landstraßen- und Wege-Reglement, das unter anderem die Unterhaltung von Wegen, Straßen und Brücken sowie die Anpflanzung von Straßenbäumen festlegte. Das preußische Wege- und Zollreglement legte Wegezölle fest - die Straßenbenutzung war keineswegs kostenlos. In der Dorf-Polizey-Ordnung für Schlesien und die Grafschaft Glatz von 1804 wurde das Rechtsfahren vorgeschrieben, die Vorfahrt geregelt, zu schnelles Fahren verboten.
Robotpflichtige Untertanen mußten mit ihren Fuhrwerken Transportdienste leisten; wenn sie kein Fuhrwerk besaßen, waren sie (so 1785) zum "Bothen laufen zu Fuß ohne Radtwer, das Jahr 6 Meilen, die Meile zu 3 Kronen" oder auch "mit Radtwer" (Schubkarre) verpflichtet.
Reitende und fahrende Postdienste gab es wohl schon ab 1500. Einige Beispiele: Fahrposten mit Personenbeförderung verkehrten 1799 mittwochs von Breslau bis Glatz-Habelschwerdt-Mittelwalde; für die Strecke Breslau-Glatz wurden 17 Stunden benötigt. Die Personenpost von Waldenburg nach Glatz fuhr sieben Stunden.
Reinerz hatte seit 1788 wöchentlich je zwei reitende Posten aus und nach Böhmen bzw. Schlesien sowie samstags eine fahrende Post von Glatz nach Nachod und montags zurück.
1855 bestand eine regelmäßige Frachtverbindung zwischen Neurode und Breslau (das Böhmische Fuhrwerk), die zweimal wöchentlich verkehrte. Ein pferdegezogener "Personen-Omnibus" fuhr dienstags und freitags von Neurode nach Glatz, mittwochs nach Frankenstein. Von 1879 an bot ein privater Fuhrunternehmer viermal täglich Personenverkehr von Wünschelburg nach Schlegel; ab 1886 verkehrte er wegen der neuen Eulengebirgsbahn nur noch bis Mittelsteine (mit Zuganschluß). In der Reisesaison wurden große Wagen mit 24 Sitzplätzen eingesetzt, sonst kleinere mit acht bis zehn Plätzen.
Bis 1932 verkehrte noch eine Postkutsche zwischen Eckersdorf und Möhlten. Als besondere Attraktion für den Fremdenverkehr wurde vor dem 2. Weltkrieg die alte Postkutschenlinie Bad Reinerz-Bad Kudowa wieder eingerichtet.
Wie schon anfangs erwähnt, war das Straßennetz der Grafschaft auch von hoher militärischer Bedeutung. Schon im Jahre 981 war Glatz, damals Kladsko, "ein gegen Polen gerichtetes Kastell", so der Chronist Cosmas in seiner Chronik der Böhmen. Kögler schreibt, daß im 30jährigen Kriege die Bevölkerung "von feindlichen und kaiserlichen Truppen viel zu leiden" hatte, vor allem Plünderungen, Erpressungen von Geldzahlungen, Gewalttätigkeiten und Zerstörungen. In den Schlesischen Kriegen und im Bayerischen Erbfolgekrieg mußten die Grenz- und Durchgangsorte hohe Summen zur Versorgung der durchziehenden oder einquartierten Truppen zahlen. Auch 1806/07 hatte die Bevölkerung durch die Truppenbewegungen auf den Durchgangsstraßen viel zu leiden.
Die erste Eisenbahnverbindung der Grafschaft Glatz wurde 1869 eröffnet. Sie führte von Breslau über Wartha nach Glatz. Ende 1875 war die Strecke von Glatz über Habelschwerdt und Mittelwalde bis zur Landesgrenze in Betrieb, und der zwischenstaatliche Verkehr wurde aufgenommen. Da der Bahnhof Glatz 1½ km nördlich der Stadtmitte liegt, wurde 1897 die Haltestelle Glatz-Stadt eingerichtet. 1906 fuhr täglich ein Schnellzugpaar Berlin-Kattowitz über Glatz mit Anschlüssen nach den Bädern, nach Mittelwalde und Seitenberg. Ab 1913 bis nach dem 2. Weltkrieg war die Strecke von Kamenz über Glatz bis Rengersdorf zweigleisig. Ein beschleunigter Wochenendzug zwischen Beuthen und Glatz verkehrte von 1928 an.
1879 fuhr der erste fahrplanmäßige Zug von Glatz nach Neurode. Ein Jahr später wurde die Strecke von Neurode - mit Anschlußgleisen von den Gruben - nach Waldenburg-Dittersbach eröffnet. Bei den Bauarbeiten waren, beispielsweise in Königswalde, 400 bis 500 meist ausländische Arbeiter mehrere Jahre beschäftigt, was auch andere Folgen hatte; "das lehrt ein Blick in das Taufbuch", so ein Königswalder Chronist. - 1913 war die Strecke zweigleisig. 1917 verkehrten dort täglich 36 Güterzüge. Im Jahre 1937 hielten in Neurode täglich 21 Personenzüge, zwei Eil- und zwei D-Züge.
Ab 1928 fuhr ein D-Zug von Berlin über Görlitz-Hirschberg-Dittersbach, Glatz-Altheide-Reinerz nach Kudowa. Zusätzlich gab es zwischen Berlin und Kudowa Wintersportverbindungen.
Die Staatsbahn erhielt 1889 die heute nicht mehr bestehende Verbindung von Glatz über Mittelsteine und Tuntschendorf nach Braunau und Halbstadt. 1890 war die Bäderbahn Glatz- Altheide-Rückers fertig, 1902 wurde Reinerz und 1905 Kudowa-Sackisch mit Schlaney als Endstation angeschlossen; auch heute wird Bad Kudowa-Sackisch mit Schnellzügen erreicht.
Ab 1897 fuhr die Bieletalbahn von Rengersdorf nach Bad Landeck und Seitenberg.
1902 war eine private vollspurige Kleinbahn, die Eulengebirgsbahn, von Langenbielau (mit Anschluß an die Staatsbahn nach Reichenbach) über Silberberg und Schlegel nach Mittelsteine eröffnet worden. Wegen der überaus schwierigen Geländeverhältnisse waren die Bau- und Betriebskosten sehr hoch. Von Silberberg über Neudorf bis Volpersdorf war Zahnradantrieb nötig. Die Strecke Silberberg-Schlegel wurde 1931 aus wirtschaftlichen Gründen wieder eingestellt. Danach wurde noch Kohle von Schlegel zum Bahnkraftwerk Mittelsteine transportiert.
1903 war die Heuscheuerbahn, die Verlängerung der Eulengebirgsbahn von Mittelsteine nach Wünschelburg, fertig. Sie diente vor allem dem Abtransport der Sandsteinblöcke aus dem Steinsägewerk Wünschelburg, war aber auch dem Touristen- und Pilgerverkehr förderlich. Die Strecke war wirtschaftlich immer ein Sorgenkind, heute ist sie stillgelegt.
Auf den Staatsbahnstrecken verkehrten D-Züge von Breslau über Glatz nach Mittelwalde mit Kurswagen nach Wildenschwerdt/Böhmen, wo bis zur Unterbrechung nach dem 1. Weltkrieg Umsteigemöglichkeiten nach Prag und über Brünn nach Wien gegeben waren.
Die Erschließung der Grafschaft durch die Eisenbahn war für die Stärkung der Wirtschaft und besonders für das Bäder- und Touristikwesen sehr förderlich. Anfangs entstanden aber auch große Probleme. So wurden viele Fuhrunternehmen ruiniert, Gasthöfe und Ausspannungen verloren ihr Geschäft, und die Straßen verödeten und wurden vernachlässigt.
Nach dem Ersten Weltkrieg setzte allmählich der motorisierte Straßenverkehr ein. In den 20er Jahren entstand in der Grafschaft ein ausgedehntes Netz von fahrplanmäßigen Kraftomnibusverbindungen der Post und der Bahn.
Das 1914 erbaute Bahnstrom-Kraftwerk in Mittelsteine, das bis Ende des 2. Weltkrieges den elektrifizierten Teil der schlesischen Eisenbahnstrecken mit Energie versorgte, führte nicht zu einer Elektrifizierung der Bahnstrecken in der Grafschaft; diese wurde erst lange nach dem 2. Weltkrieg eingeführt; Mittelsteine erzeugt heute keinen Bahnstrom mehr.
Erwähnt sei noch, daß der Glatzer Gebirgsverein (GGV) durch unermüdlichen Einsatz bei der Provinzialverwaltung und der Eisenbahndirektion Breslau viel zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in der Grafschaft Glatz beigetragen hat.
Dieter Pohl
|