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Kultur und Geschichte
der Grafschaft Glatz (Schlesien)

Die Grafschaft Glatzer heute

Die durch die Vertreibung in Deutschland verstreut lebenden Grafschafter bemühen sich auch jetzt noch, ihr geistiges und kulturelles Erbe zu bewahren und weiterzugeben.
Unter dem damaligen Großdechanten Prälat Dr. Franz Monse fanden erste Wallfahrten der heimatvertriebenen Katholiken aus der Grafschaft Glatz zu westdeutschen Gnadenorten statt: 1946 nach Listrup, 1947 nach Telgte und Werl. 1996 führte die 50. Telgter Wallfahrt unter dem Großdechanten Prälat Franz Jung mehr als 5.000 Gläubige aus der Grafschaft zusammen. Die älteste Vereinigung der heimatvertriebenen Grafschafter ist die Zentralstelle Grafschaft Glatz e. V., die 1953 durch den Geistlichen Rat Georg Goebel gegründet wurde. Gemeinsam mit der Heimatgruppe übt sie die Sprecherfunktion aus. Gemäß ihrer Satzung fördert sie die Pflege des gesamten Grafschafter Kulturgutes sowie geschichtliche und landeskundliche Studien über die Grafschaft Glatz. Sie bemüht sich um den Zusammenhalt der Grafschafter, die Bewahrung ihres Volks- und Brauchtums und die Verbreitung des Wissens über die Grafschaft. Sie gibt die Heimatzeitung Grafschafter Bote und zahlreiche weitere Heimatliteratur heraus sowie das Jahrbuch der Grafschaft Glatz Grofschoaftersch Häämtebarnla, das im 52. Jahrgang für 2000 erschienen ist und neben Beiträgen zur Kulturgeschichte der Grafschaft unter anderem Mundartgedichte und Geschichten aus der Heimat von namhaften Autoren bringt.
Die Heimatgruppe Grafschaft Glatz e. V. wurde 1967 als Vereinigung der Kreisversammlungen für Glatz, Habelschwerdt und Neurode mit den Orts- und Heimatgemeinschaften der vertriebenen Grafschafter gegründet.
1990 hat die Vertretung der vertriebenen Schlesier aus der Grafschaft Glatz ihre Rechtsverwahrung formuliert und veröffentlicht.
Westdeutsche Patenstädte übernahmen die ideelle Unterstützung der Vertriebenen. So ist beispielsweise Glatz mit Lüdenscheid, Habelschwerdt mit Altena, Neurode mit Castrop-Rauxel, Mittelwalde mit Lohne und Altwilmsdorf mit Recke verbunden. Telgte hat die Patenschaft für Albendorf übernommen, die Stadt Georgsmarienhütte für Nieder- und Oberschwedeldorf.
Festzuhalten ist hier auch, daß in den letzten Jahren, wenngleich meist nicht von Grafschaftern initiiert, andersartige Verbindungen entstanden sind: die Städte- und Ortspartnerschaften. Sie haben das Ziel, eine Zusammenarbeit zwischen deutschen Gemeinden und ihren nun polnischen Partnergemeinden im Glatzer Land auf der Verwaltungsebene zu schaffen. Solche Partnerschaften gibt es zwischen Telgte und Bad Altheide, Anröchte und Wünschelburg, Bensheim und Glatz. Die Grafschafter sind bestrebt, in diese Verbindungen einbezogen zu werden.
Heute ist es wieder möglich, die Wallfahrtsorte in der Heimat - wie Albendorf, Wartha, Maria Schnee und Grulich - als Beter aufzusuchen. Dabei verleiht neben der großen Pilgerschar und dem zahlenstarken, engagierten Klerus die Beteiligung eines hervorragenden Chors der Grafschafter, der sich trotz der räumlichen Zerstreuung gebildet hat, den Gottesdiensten eine beeindruckende Kraft. Das von den Wallfahrern geopferte Geld bietet neben anderen Spenden in vielen Fällen die Voraussetzung, Kirchen und Kapellen in der Heimat vor dem Verfall zu bewahren.
Große Bedeutung haben die Ortstreffen, die neben dem Wiedersehen auch ein festes Programm mit anspruchsvollen Vorträgen über Geschichte, Kultur und Tradition bieten. Solche Treffen werden seit dem Fall der Mauer oft auch nach Mitteldeutschland verlegt. Anläßlich der vor 50 Jahren erlittenen Vertreibung waren im Jahre 1996 alle Ortstreffen mit eindrucksvollen Gedenkveranstaltungen verbunden.
In den letzten 50 Jahren haben Grafschafter Vertriebene der polnischen Bevölkerung des Glatzer Landes humanitäre Hilfe im Wert von vielen Millionen DM zukommen lassen.
Nach dem Kriege wurden 75 neue Ortschroniken gedruckt: weitere sind im Entstehen. Sie sollen das Wissen über die Heimat und ihre siebenhundertjährige deutsche Geschichte für künftige Generationen bewahren.
Der 1881 gegründete Glatzer Gebirgsverein mit seinem heutigen Sitz Braunschweig vereint immer wieder Heimat- und Wanderfreunde zur Geselligkeit in heimatlicher Verbundenheit.
Ein besonderes Verdienst um die Grafschaft hat sich nach dem Kriege der Marx Verlag erworben. Er wurde durch den Glatzer Heimatphotographen Jörg Marx und seine Frau unter schwierigsten Umständen gegründet und hat einen umfangreichen Fundus an Heimatliteratur geschaffen. [Der Marx Verlag wurde inzwischen vom Verlag „Grafschafter Bote“ der Zentralstelle Grafschaft Glatz e. V. übernommen.] Wissenschaftlichen Publikationen über die Grafschaft Glatz hat sich der Dr. Dieter Pohl Verlag verschrieben. Der Verlag Grafschaft Glatzer Mosaik von Ernst-August Herbst bemüht sich um die Herausgabe alten heimatlichen Schriftgutes in Faksimiledrucken.
Die Mundartgruppe um Erhard Gertler pflegt den heimatlichen Dialekt und hat eindrucksvolle Tondokumente geschaffen. Unter Leitung von Angela Gauglitz entstand ein Dialektwörterbuch. Werner Niesel hat in seiner Wünschelburger Edition sakrale Werke bedeutender Grafschafter Komponisten neu zur Aufführung gebracht und in Tonaufnahmen herausgegeben.
Grafschafter und ihre Vereinigungen errichteten für die Opfer von Krieg und Vertreibung Mahnmale in Lüdenscheid und in Telgte, das Wegekreuz am Haus Schlesien in Königswinter und Gedenktafeln vieler Ortsgemeinschaften. Hingegen ist es trotz gesicherter Finanzierung noch nicht gelungen, die Anbringung von Gedenktafeln an den Gebäuden in der Grafschaft zu erreichen, in denen nach Kriegsende viele Deutsche zu Tode gefoltert wurden.
Das deutsche Kulturerbe wird auch in der Grafschaft gepflegt. Bedeutende Ausstellungen im heutigen Museum in Glatz, im früheren Konvikt, wurden von der Leitung des Museums, teilweise in Zusammenarbeit mit Grafschaftern, gestaltet. 1992 waren es Werke des Barockbildhauers Michael Klahr des Älteren und 1995 historische Landkarten: beide Ausstellungen wurden anschließend auch im HAUS SCHLESIEN in Königswinter und an anderen Orten gezeigt. Tagungen der Familienforscher in der Grafschaft stellen den Bezug zu den Vorfahren, zur Landschaft, den Orten, Kunstwerken und Archiven her. Deutsche Volkstumsveranstaltungen 1994 und 1996 in Neurode und Bad Kudowa fanden überfüllte Säle und begeisterte Anteilnahme auch bei den heutigen Bewohnern.
Die Restaurierung von Kulturdenkmälern ist in vielen Fällen auf Initiative und mit nachhaltiger Beteiligung von Grafschaftern in die Wege geleitet worden, in manchen Fällen auch schon abgeschlossen. Beispiele sind die Mariensäule in Glatz, das Bergmannskreuz in Hausdorf, das Wittighaus in Neusorge bei Schlegel, die Annakapelle in Niederschwedeldorf. Die hervorragende Innenrestaurierung der Glatzer Dekanatskirche erfolgte mit finanzieller Beteiligung eines Grafschafters, ein anderer leistete Hilfe bei der Beschaffung bedeutender Fördermittel. Auf einigen Friedhöfen sorgten Landsleute mit Unterstützung der polnischen Pfarrer dafür, daß die alten deutschen Grabsteine in würdigen Gedenkstätten vereint wurden, so in Neuweistritz und Niederschwedeldorf, in Krainsdort, in Neugersdorf und in Habelschwerdt. Mit großem Engagement der Zentralstelle Grafschaft Glatz gelang es, in Glatz einen Freundschaftskreis zu gründen, der sich der Landsleute in der Heimat annimmt. Der Initiative eines Glatzers und der finanziellen Unterstützung eines weiten Kreises von Grafschaffern ist die Aufstellung einer Gedenktafel am früheren Ort der 1938 von den Nationalsozialisten zerstörten Synagoge in Glatz zu verdanken.
Die Jugendorganisation Junge Grafschaft hat seit 1990 eine Reihe deutsch-polnischer Jugendbegegnungen in Deutschland und in der Heimat durchgeführt. Sie hat sich tatkräftig an der Erstellung des Lapidariums in Neugersdorf beteiligt und bei der Herausgabe eines Reiseführers mitgewirkt.
Die Alte Breslauer Landsmannschaft Glacia, eine traditionsreiche, heimatpolitisch engagierte Studentenverbindung, die um die Heimatkunde der Grafschaft große Verdienste erworben hat, besteht fort.
Besonders wichtig für den Zusammenhalt der Grafschafter und ihre Glaubensverbundenheit ist der Großdechant. Diesen Ehrentitel der früheren Generalvikare der Grafschaft führt noch heute der Visitator für Priester und Gläubige der Grafschaft Glatz, Prälat Franz Jung, der unermüdlich und, wenn nötig, auch unerbittlich die heimatliche Bindung der Grafschafter an die Stätten ihres Glaubens erhält. Seine Wallfahrten zu den Gnadenorten des Glatzer Landes sind den Teilnehmern unvergeßliche Erlebnisse.

Herbert Eckelt

 

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