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Kultur und Geschichte
der Grafschaft Glatz (Schlesien)

 

„Geschichte der Grafschaft Glatz.“

Chronik der Städte, Flecken, Dörfer, Kolonien, Schlösser, etc. dieser
souverainen Grafschaft von der frühesten Vergangenheit bis auf die Gegenwart

von Dr. Eduard Ludwig Wedekind,
Verlag von Friedr. Wilh. Fischer. Neurode, 1857

Auszug
(Wiedergabe der Sagen aus Aelurius' Glaciographia)

 

Eduard Ludwig Wedekind (* 27. Mai 1804; † 18. Februar 1861) studierte seit 1823 Theologie an der Universität Halle-Wittenberg und setzte 1825 sein Studium an der Universität Göttingen fort. Er verfaßte viele verschiedene geschichtliche Schriften. In seinem Buch „Geschichte der Grafschaft Glatz.“ gibt er die in der Glätzischen Chronik von Georgius Aelurius (Georg Katschker, 1596-1627) 1625 gedruckten Sagen wieder.
Der historische und in Fraktur gedruckte Text dieser Sagen aus der Grafschaft Glatz wurde in moderne Schrift übertragen und bereitgestellt von Christian Drescher.

Titel des Buches von 1857
Titel des Buches von 1857

Einschaltungen.

1. Vom Namen der Stadt Glatz.

Daß Glatz anfänglich Luca geheißen, habe ich schon beteits erwähnt*), da ich gemeldet habe, der Name Luca sei dem Orte Glatz gegeben von dem ersten Gründer, welcher Luca geheißen und über ein Fähnlein Volk ein berühmter römischer Hauptmann gewesen. Es mißfällt mir auch sonst die Ableitung des Wörtchens Luca von Luco nicht. Denn Lucus heiß ein Lustwald. Nun bezeugt es ja der Ort und die Gelegenheit um Glatz, daß vor Zeiten darum fast ein eiteler Wald gewesen ist. Daher hat auch das Städtchen, in dieser Grafschaft gelegen Mittel­walde genannt, den Namen her, welcher soviel heißt, als mitten – im – Walde. Ja es ist vor Zeiten nicht nur um Glatz fast eitel Wald gewesen, sondern es giebt auch noch auf den heutigen Tag in dieser Grafschaft viel Gebirge und Wälder, darin von allerlei Wild ein Ueberfluß angetroffen wird, welches gewiß eine rechte Lust giebt und mit sich bringt. Vom Kaiser Rudolph I., hochlöblichem Gedächtniß, sagt man: er habe das glatzische Gebirge seinen Thiergarten stets zu nennen pflegen und habe darin für seine Tafel das meiste Wild fangen und schlagen lassen, welches ihm darum soll lieber gewesen sein, als das Wild aus andern böhmischen Gebirgen, weil das Wild, so in den glatztischen Ge­birgen gefangen und geschlagen, allzeit größer gewesen sein foll, als dasjenige, welches aus andern Gebirgen gebracht wurde. Ich habe allhier beide Meinungen angezeigt, weshalb die Stadt zuerst Luca ge­heißen habe, damit der Leser sich eine derselben gelieben oder gefallen lasse, welche er will. Jetzt heißt die Stadt gewöhnlich Glatz oder Glotz durch die ganze Welt, von deren Etymologie ich hier folgenden Bericht geben will. Einige schreiben dies Wort mit einem G., Andere mit einem K. Die es mit einem G anfangen, schreiben entweder Glatz oder Glotz. Die Erstern leiten dann das Wort ab vom lateinischen Worte: Glacies, das Eis. Denn wenn man zur Winterszeit dahin gekommen ist, so soll die Stadt, da sie noch, wie damals gebräuchlich war, ganz niedrige Häuser gehabt, geschienen haben, als wenn sie im eiteln Eise stände. Hierher zielen auch Diejenigen, welche das Wert von „glatt“ ableiten, weil es zu Winterzeiten, wenn Eis gefroren war, auf dem Ringe und allen Gassen sehr – glatt gewesen sei. Ein anderer Theil dieser Per­sonen, welche Glatz sprechen und schreiben, meinen, es komme von „Glatze“ her, weil vor Jahren diese Stadt anzusehen gewesen sei, wie eine Glatze auf einem Menschenhaupte. Dies war allerdings eine sehr possirliche Sache. Diejenigen aber, welche den Namen Glotz schreiben oder sprechen, wie viele bedeutende Historiker , leiten denselben vom Glo­tzar, dem Hunnenobersten, her, der vom Kaiser Heinrich dem Finkler da erlegt sein soll, wo jet Glatz steht. Daher habe der Kaiser nach gewonnener Schlacht der Stadt zum ewigen Andenken diesen Namen gegeben. Ich lasse mich bedünken, daß es nichts Ungereimtes habe, wenn man statt des hartes Wortes Glotz, das lindere Klotz, genommen habe, welche Buchstabenvertauschung in griechischer und lateinischer Sprache nicht ungewöhnlich war. Klotz schreiben und sprechen nun Viele des­halb, weil Glatz, ehe es ein Marktflecken geworden, ein Ort von lauter Buscg und Wald gewesen. Als es aber zum Marktflecken geworden und Menschen daselbst wohnten und die Bäume, meistens ausgerodet waren, hat mitten auf dem jetzigen Markte, ein großer Eichenklotz gestanden. Wenn nun die Leute aus den benachbarten Dörfern oder Flecken dahin reisen wollten, so sagten sie: „Wir wollen zum Klotz“ und davon hat am Ende die Stadt den Namen erhalten. Die Ableitung ist nicht un­wahrscheinlich und gefällt mir – nicht übel. Da ich mich gar wohl erinnere, daß man unter dem böhmischen Thore in der Mauer ein Klotz aus Stein ausgehauen und eingemauert hat, wovon jedem Fremden gefragt wird, daß dieser Klotz der Stadt Merkzeichen sei und sie davon ihren Namen habe. Auch erinnere ich mich wohl, daß am Rathhause, gleichüber der Taberne, in freier Luft ein Klotz hing und bemerkt wurde, daß dies ein Merkzeichen der Stadt und ihres Namens sei. Noch An­dere leiten das Wört von dem Volke der Galater ab, von welchem Ei­nige sich hier niedergelassen hatten**). – Nach diesem gelehrten Unsinn führt Aelurius fort: „Daß die Stadt Glatz in Europa und nicht in Asien oder Amerika liegt, ist kein Zweifel, und die bisher Niemand be­hauptet hat, so will ich nicht viel Worte darum machen. – Es ist auch kein Zweifel, daß Glatz in Deutschland liegt, denn das verneinet Nie­mand.“ (Nun waren von unserm gelehrten Gewährsmanne eine Menge lateinischer Autoren citirt und dadurch bewiesen, daß Glatz stets zu Deutschland gehört habe.) Endlich wirft er die Frage auf, ob das Land Glatz zu Schlesien und Polen oder zu Böhmen gehört, und beweiset dann mit vielen Umschweifen, daß es sowol zu Polen, als auch zu Böhmen zeitweise gerechnet sei, wobei dem würdigen Aelurius weiter zu folgen, uns der nachsichtige jetzige Leser wohl erlassen wird.
 
*) in seiner glatzischen Chronik, welche im Jahr 1625 zu Leipzig gedruckt wurde. Er schreibt sich selbst: M. Georgius Aelurius, sonst Katschker Frankostenenesis Silesius. Das Werk ist im vollen Geschmacke seiner Zeit geschrieben.
**) Wir verbleiben natürlich bei unserer früher, auf Seite 11 gegebenen Er­klärung, daß Glatz vom Worte Kladsko entstanden ist.

2. Die Sage von der heidnischen Jungfrau auf dem Schlosse zu Glatz.

Was durch mich, den glatzischen Geschichtsschreiber Aelurius, von dieser heidnischen Jungfrau soll erzählt und geschrieben worden fein, das hält man allgemein in der Grafschaft Glatz für eine wahrhaftige Historie. Ich habe aber ihre Geschichte allhier als eine historische Blume deshalb erzählt, weil ohne Unterschied alte oder junge Leute, ja alle Kinder in Glatz, viel davon zu sagen wissen, daß auch andere Leute, die nicht in der Grafschaft wohnen, dieselbe erfahren mögen. Sie soll zur Heiden­zeit und als Heidin gelebt haben, Regentin des Landes Glatz und sehr gottlos gewesen sein, weil sie in eitler Wollust, Ueppigkeit und Unzucht versunken, sich auch der gräßlichsten Zauberei beflissen hat. Nach der alten Sage war die heidnische Jungfrau sehr kriegerisch und so stand, daß sie mit ihrem Bogen und Pfeile bis zu der großen Linde bei Eisers­dorf an der Grenze*) habe schießen können; und als sie einesmal mit ihrem Bruder eine Wette eingeschlagen und etwas Großes eingesetzt hatte, und was es gelten solle, wer mit dem Bogen den Pfeil am Weitesten schießen würde, so sei diefes darauf erfolgt, daß der Bruder mit seinem Pfeile kaum auf den halben Weg gereicht, sie aber ihren Pfeil vom Schlosse zu Glatz fast noch einmal so weit, nämlich bis zu der vorer­wähnten großen Linde bei Eisersdorf geschossen und die Schanze gewonnen habe. (Von dieser großen Linde fabelt man sonst viel, sie wäre nämlich so alt, als der heidnische Thurm, und obggleich sie mehrmals verdorret, sei sie doch allemal wieder ausgewachsen und stehe noch. Einmal soll die Zauberin darauf gesessen und von der Stadt Glatz viele zukünftige Dinge geweissagt haben; unter andern hätte sie auch gesagt, daß der Türke bis gen Glatz kommen und allda, wenn er durch die steinerne Brücke hinauf bis auf den Ring kommen werde, eine große Niederlage erleiden müsse, weil ihm die Christen aus dem Schlosse herunter ent­gegenziehen und auf dem Markte erlegen würden; solches aber werde nicht eher geschehen, als bis zuvor eine ganze Schaar Kraniche durch die Brotbänke geflogen seien**). Nun soll die heidnische Jungfrau nicht allein mit vielen Andern, sondern sogar mit diesem ihren Bruder ab­scheuliche Unzucht getrieben haben, weshalb man ihr fleißig nachstellte, um sie gebührlich zu bestrafen. Von ihrer Zauberei war das ein Zei­chen, daß sie starke Hufeisen mit ihren Händen zur Kurzweil zerbrach; ihrer Zauberkünste wegen gelang es aber nicht ihrer habhaft zu werden, weil sie immer wieder entrann. Endlich glückte dies doch, und nun soll sie in einem großen Saale am Thore, zwischten dem Ober- und Nieder­schlosse, fest vermauert und darin umgekommen sein. Zum ewigen Ge­dächtniß dieser Begebenheit hat man an der Mauer über dem tiefsten Graben ihr Bildniß, das aus einem Stein ausgehauen war, einge­mauert. Diesen ausgehauenen und eingemauerten Stein zeigt man noch jetzt (1621 , auch noch jetzt?) allen Fremden, die das Schloß zu Glatz besuchen. Von dieser heidnischen Jungfrau ist auch sonst noch Merk­würdiges anzuzeigen: 1) Daß ihr Bildniß auf dem grünen Saale im glatzer Schlosse, mehrmals sauber und schön gemalt, gestanden hat. Viel­leicht haben die Alten dies deshalb gethan, weil sie durch die Sage mehr von ihr wußten, als wir, und sie ihr Gedächtniß auf die Nach­welt bringen wollten; 2) daß in dem heidnischen Kirchlein den Fremden das schöne goldene Haar der heidnischen Jungfrau gezeigt wurde, wel­ches so hoch an der Wand an einem Nagel hing, daß nur ein großer Mann bis hinaufreichen kann. Vor der Belagerung (1622) habe ich, Aelurius, ein solches Haar der heidnischen Jungfrau, mehrmals aufge­flochten, an der Wand hängen sehen***); 3) daß in ihrer Gestakt und Kleidung der Teufel noch öfters im Schosse zu Glatz zu erscheinen pflegt. Dieses Gespenst thut aber Niemandem etwas zu leide, wenn man es zufrieden läßt und nicht hämisch von ihm redet; ein Soldat, der dies einst gethan, soll, als er auf dem Posten stand, einen tüchtigen Backenstreich mit eiskalter Hand von ihr erhalten haben. Ich erinnere mich auch allhier, daß ich 1621 zu einem Soldaten in seiner Krankheit zur Kommunion gerufen worden, der im Gesichte sehr übel zugerichte war, und ich ihn fragte, wovon das sei, und daß er mir antwortete, er hätte das Haar der heidnischen Jungfrau aus dem Kirchlein weg­genommen, worauf sie in der Nacht zu ihm gekommen; und ihn schreck­lich gemißhandelt hätte; wahrscheinlich hätte sie ihn umgebracht, wenn nicht sein Kamerad auf seine Bitte eiligst das Haar, wieder in das Kirchlein getragen und aufgehängt hätte. Ob nun diese Zauberin die Königin Libussa oder die Polin Velda, oder die Zauberin Vauska in Böhmen gewesen, habe ich nicht erforschen können: nichts destoweniger ist aber die Geschichte von der heidnischen Jungfrau zu Glatz wahr und wahrhaftig. – –
 
*) Eisersdorf, ein schönes Dorf im glatzer Kreise, in dem schönen, sich hier ausmündenden Thale der glatzer Bielau, eine Meile südöstlich von Glatz, an der landecker Straße, mit etwa 1000 Einwohnern und mehreren Kalköfen. Oestlich die Kieferkoppe, südlich der Herrenbusch, die Krumzkoppe und der Antonsberg, welche alle schönen Aussichten gewähren.
**) Diese und ähnliche Weissagungen, das Vordringen der Türken betreffend, dürften unter den jetzigen Verhältnissen wohl schwerlich in Erfüllung gehen.
***) Von dem heidnischen Kirchel, dem Götzenbilde und andern Denkstätten haben wir bereits früher, Seite 14, Anmerk. Erwähnung gethan und erzählt, daß das goldgelbe Haargeflecht der Heidin Valeska, sowie ihr angeblicher Bogen, im Jahre 1743 nach Berlin in die Kunstkammer gesandt sei.

3. Geschichte der Hexe zu Lewin*).

Im Jahre 1345 hat sich in dem Städtlein Lewin eine schreckliche Historie zugetragen. Es war darin ein Töpfer, mit Namen Duchacz, welcher ein Weib hatte, die hieß Brodka und war voll teuflischer Zauberei. Als dieses bekannt wurde, ermahnten sie die Priester, von solchem bösen Thun abzustehen. Nun trieb sie es zwar nicht mehr öffentlich, wohl aber heimlich. Da begab es sich plötzlich, als sie ihre Geister zu­sammen gerufen, daß sie eines plötzlichen Todes verstarb. Niemand wußte zu sagen, ob sie von den bösen Geistern umgebracht oder sonst verstorben sei. Deshalb wollte man sie unter frommen Christen nicht begraben, sondern man verscharrte sie an einem Scheidewege. Bald wurde verspürt, daß sie umging, zu den Hirten auf dem Felde kam, sich in allerlei Thiergestalten verwandelte, die Hirten erschreckte, das Vieh verjagte und nicht wenig Bekümmerniß verursachte. Bisweilen ließ sie sich auch noch in ihrer Gestalt, als sie lebte, sehen, kam so in's Städt­lein Lewin und in die Dörfer, in der Leute Häuser unter mancherlei Gestalten, redete mit den Leuten, erschreckte sie und brachte Manche so­gar um's Leben. Da vereinigten sich die Bürger und Bauern, ließen die Leiche durch einen hierzu tüchtigen Mann ausgraben; da konnten alle anwesenden Menschen sehen, daß sie die Hälfte des Schleiers, den sie auf dem Kopfe gehabt, in sich hinein gewürgt hatte (sie war also wahr­scheinlich nur scheintodt begraben); derselbe wurde ihr ganz blutig aus dem Halse gezogen. Hierauf ließ man ihr zwischen die Brust einen eisernen Pfahl schlagen, bald floß ihr das Blut aus dem Leibe, nicht anders, als aus einem Rinde, daß sich Alle verwunderten, und ward dann wieder verscharrt. Aber nach kurzer Zeit ließ sie sich wieder sehen, und öfters als zuvor, erschreckte und tödtete die Menschen und sprang mit den Füßen auf den Leichen umher. Deshalb wurde sie durch denselben Männ noch einmal aufgegraben und befunden, daß sie den eichenen Pfahl aus dem Leibe gezogen hatte und in den Händen hielt. Hierauf wurde sie sammt dem Pfahle verbrannt und die Asche im Grabe ver­scharrt. Zwar sah man an der Stelle nach etlichen Tagen einen schreck­lichen Wirbelswind, die Hexe aber nie wieder. – Dies erzählt Herr Aelurius, ein evangelischer Geistlicher des 17. Jahrhunderts, ganz ernst­haft und – glaubt es selbst.
 
*) Aelurius, Chronik von Glatz, S. 236 ff.

Quelle: „Geschichte der Grafschaft Glatz. Chronik der Städte, Flecken, Dörfer, Kolonien, Schlösser, etc. dieser souverainen Grafschaft von der frühesten Vergangenheit bis auf die Gegenwart“ von Eduard Ludwig Wedekind, Verlag von Friedr. Wilh. Fischer. Neurode, 1857 (S. 141-146)
Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek München, Kein Urheberrechtsschutz (CC0 1.0 Universell)
www.digitale-sammlungen.de/de/details/bsb10014411

 

 

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Erste Version vom 01.02.2025, letzte Aktualisierung am 20.02.2025.