Reisen in die Grafschaft Glatz (Schlesien)

Sehenswürdigkeiten

Die Magnificat-Kanzel in der Wallfahrtskirche "Mariä Heimsuchung" zu Albendorf

 

Bild 1

Im Jahre 1723 fertigte der Bildhauer Carl Flacker aus Wien, der sich in Glatz niedergelassen hatte, in der Wallfahrtskirche zu Albendorf eine barocke Kanzel an. Diese Kanzel ist eine bildliche Darstellung des Magnificats, des Lobgesanges der Gottesmutter. Emanuel Zimmer, der von 1906 bis 1926 als Pfarrer in dieser Kirche wirkte, gibt folgende Deutung des kostbaren Kunstwerkes:

Die Muttergottes steht auf der Weltkugel. Sie ist singend dargestellt, d.h. der Augenblick ist festgehalten, in welchem sie das Magnificat anstimmt. Zu ihren Füßen halten zwei Engel ein Schild mit der Inschrift: "Magnificat anima mea Dominum!" Luk 1,46 (Meine Seele preist die Größe des Herrn!) Maria ist als lmmaculata, als unbefleckte Jungfrau dargestellt, überschattet vom HI. Geist in Gestalt einer Taube. Die weiteren Worte des Magnificats: "Et exsultavit spiritus meus in Deo salutari meo. Quia respexit humilitatem ancillae suae,-" (und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter; denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut) finden in der Stellung der Gottesmutter, die jubelnd und zugleich demütig dargestellt ist, ihren Ausdruck. Am Rande des Schalldeckels befindet sich der Halbvers: "ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes" (siehe, von nun an preisen mich alle Geschlechter). Zur Verbildlichung dieses Verses erblicken wir vier Frauengestalten als Repräsentanten der damals bekannten vier Erdteile Europa, Asien, Afrika und Amerika. Zwei Engel zu beiden Seiten der allerseligsten Jungfrau tragen Schilde mit den Worten: "Quia fecit mihi magna, qui potens est, et sanctum nomen eius." (Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.) Diesen Ruhm Gottes und die Auszeichnung der allerseligsten Jungfrau zu verkünden, ist die Hauptaufgabe des Priesters, welcher unter dieser ganzen Darstellung das Wort Gottes verkündet. Der Priester soll in seinen Predigten besonders aber die folgenden Verse dem Volke einprägen: "Et misericordia eius a progenie in progenies timentibus eum. Fecit potentiam in brachio suo, dispersit superbos mente cordis sui. Deposuit potentes de sede, et exaltavit humiles." (Gott erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind, er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen), d.h. der Priester soll Gottes Barmherzigkeit, aber auch seine allmächtige Gerechtigkeit verkünden. Am Rande der Kanzel lesen wir: "Esurientes implevit bonis, et divites dimisit inanes" (die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen).

Die letzten Worte: "Suscepit Israel, puerum suum, recordatus misericordiae suae. Sicut locutus est ad patres nostros, Abraham et semini eius in saecula" (Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig) finden in folgender Weise Verdeutlichung: Israel, sein Volk sind wir, die wir an Gott glauben; uns sandte er eingedenk seiner Barmherzigkeit und des Abraham gegebenen Versprechens die Erlösung durch seinen Sohn. Das Versprechen, das Gott Abraham gegeben, ist in drei Medaillons an der eigentlichen Kanzel dargestellt. Das mittlere Medaillon, umgeben von den Worten: "Sicut locutus est ad patres nostros Abraham", zeigt den Engel Gottes, der Abraham die Weissagung gibt: "et benedicentur in semine tuo omnes gentes terrae" (und in deinem Samen werden gesegnet werden alle Völker der Erde). Diese Worte umgeben das linke Medaillon, welches die Opferung Isaaks vorstellt. Die Erfüllung dieser Verheißung aber findet sich im rechten Medaillon, welches die Geburt des Sohnes Gottes zeigt und von den kurzen, aber inhaltsschweren Worten umgeben ist: "Et verbum caro factum est" (und das Wort ist Fleisch geworden).

Wie aber Gott zu uns spricht, das deuten die vier Evangelisten an, die wir am unteren Rande der Kanzel sehen, nämlich durch das in den Evangelisten beschriebene irdische Wirken seines eingeborenen Sohnes. Die Evangelisten haben an ihrer Seite ihre gewöhnlichen Attribute und halten jeder ein Buch in der Hand, auf dessen Blättern Worte ihrer Evangelien stehen. Es sind von links nach rechts dargestellt: Matthäus (mit Engel) "Liber generationis Jesu Christi" (Buch der Abstammung Jesu Christi), Markus (mit Löwe) "et descendit Spiritus super eum" (und der HI. Geist kam über ihn), Lukas (mit Stier) "Spiritus Sanctus supervenietin te" (der HI. Geist wird über dich kommen), Johannes (mit Adler) "Et Deus erat verbum" (und Gott war das Wort).
"Dieser ganze Lobgesang wird von einem geflügelten Seraph gen Himmel getragen, damit Gott sich an dem schwachen Beweise menschlichen Lobgesanges erfreue." Mit diesen Worten beendet Pfarrer Zimmer seine Gedanken über dieses Kunstwerk (Zimmer, S. 138 ff.).
Diese Kanzel ist ein barockes Meisterwerk, das in seiner Art seinesgleichen sucht.

 

Albendorfer Antiphon
gedichtet von
Daniel Paschasius von Osterberg:

"Freu dich, du Albendorfische Jungfrau,
freu dich, auf deiner auserwählten Au!
Freu dich, du gnadenreiche Königin,
freu dich, du reine Gottesgebärerin!
Steh uns bei in unser Not
durch Jesu Christi Namen!
Bitt' Gott für uns in dem Tod
unseres Absterbens! Amen."

 

Zur Geschichte des Wallfahrtsortes

Im XII. Jahrhundert ließ der Gutsherr von Rathen als Zeichen des Dankes für eine Marienerscheinung das heutige Gnadenbild schnitzen und an einer mächtigen Linde aufhängen. Ein Blinder, namens Jan, betete vor diesem Bilde und erhielt sein Augenlicht wieder. Dieses Wunder zog viele Menschen an diesen Ort.
Um das Jahr 1218 wurden unter der Linde ein großer Altarstein, ein steinerner Leuchter und ein Weihwasserbehälter aufgestellt.
Um 1263 wurde neben der Linde das erste Holzkirchlein erbaut.
Im Jahre 1512 ließ der Gutsherr von Pannwitz eine größere, gemauerte Kirche erbauen, in der das Gnadenbild aufgestellt wurde. Diese Kirche wurde im 3ojährigen Krieg zerstört.
Infolge eines Lichtwunders ließ der Ritter Daniel Paschasius von Osterberg in den Jahren 1695 bis 1710 nach dem Vorbild des salomonischen Tempels in Jerusalem eine Wallfahrtskirche bauen. Aber schon 1713 mußte diese Kirche wegen Baufälligkeit wieder abgerissen werden. Nur die Renaissance-Fassade blieb erhalten. An diese Fassade ließ Graf Franz Anton von Götzen in den Jahren 1715 bis 1723 die vierte Kirche im Barock-Stil anbauen. Dies war der Bau der heutigen Wallfahrtskirche "Mariä Heimsuchung", die 1721 eingeweiht wurde.
Die Wallfahrtskirche wurde 1936 durch Papst Pius Xl. zur Basilika Minor erhoben.
1945 übernahmen polnische Stellen die Verwaltungshoheit über die Grafschaft Glatz. Albendorf erhielt den Namen Wambierzyce. Im Jahre 1946 wurde die deutsche Bevölkerung aus der Grafschaft Glatz vertrieben.
Am 17. August 1980 wurde durch ein Dekret Papst Johannes Paul II. das Gnadenbild feierlich gekrönt; gleichzeitig wurde ihm der Titel "Königin der Familien" verliehen. Die Gedenktafel, die an dieses Ereignis erinnert, wurde von Bischof Lettmann aus Münster am Fest Mariä Himmelfahrt 1983 eingeweiht.

 

Literatur: E. Zimmer, Albendorf, sein Ursprung und seine Geschichte. Breslau 1898

zusammengestellt von Nikolaus Klimek
Dülmen, im Jahre 2000

 

(entnommen aus dem Faltblatt
"Die Magnificat-Kanzel in der Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung zu Albendorf"
von Nikolaus Klimek)

 


 

 

Zur Übersicht Zurück zur Übersicht der Sehenswürdigkeiten

 

 

Zum Inhaltsverzeichnis Zurück zum Inhaltsverzeichnis "Reisen in die Grafschaft Glatz"

 

 

Zur Homepage Zurück zur Homepage

 

 

Nähere Informationen über diese Internetseite erhalten Sie von Dipl.-Ing. Christian Drescher per Kontakt-FormularCounter 1

 

 

© 2002-2004 by Dipl.-Ing. Christian Drescher, Wendeburg-Zweidorf, Kontakt: Feedback-Formular.
Erste Version vom 15.07.2002, letzte Aktualisierung am 07.08.2004.