Gestalt, Werden und Bedeutung des Glatzer Landes

I. Landschaft

"Eine Welt für sich ist die Grafschaft Glatz - von drei Bergen beherrscht: Dem ‘Großen Schneeberg’ (1.425 m), der ‘Hohen Mense’ (1.084 m) und der ‘Hohen Eule’ (1.014 m). Das sind die ragenden Säulen, die jene steilen Höhenzüge in den Angeln halten, die rings nach Osten, Süd, Nord und West auf 262 km Länge der Glatzer Heimat Grenze bilden" (nach Franz Albert, 1919).
Wirklich springt die Grafschaft Glatz wie ein Erker aus der Sudetenmauer südlich in das Gebiet Tschechiens hinaus. Sie bildete den südlichsten Teil des niederschlesischen Regierungsbezirks Breslau mit den Kreisen Glatz (einschl. Neurode) und Habelschwerdt und umfaßt eine Bodenfläche von 1.635,83 km² mit über 180.000 Einwohnern (1939), heute ca. 182.000 Einwohnern (1980).
Auf allen Seiten ist die Grafschaft von Gebirgen umrahmt. Die nordöstliche Grenzlinie bilden das Eulengebirge und das Wartha-Gebirge mit dem schmalen Durchbruch der Neiße, durch den das Wasser aller Grafschafter Flüsse - mit Ausnahme von zweien - der Oder zufließt. Danach erstreckt sich das Reichensteiner Gebirge bis zum östlichsten Punkt der Grafschaft.
Im Südosten schließen sich das Bielengebirge und das Glatzer Schneegebirge (mit dem Glatzer Schneeberg) an. Im Westen liegen als Grenzscheide gegen Böhmen zwei parallel zueinander verlaufende Bergzüge, auf schlesischer Seite das Habelschwerdter Gebirge und auf der anderen das Adlergebirge, dazwischen als Grenzfluß die "Wilde Adler", auch Erlitz genannt. Im Nordwesten schließt die Heuscheuer die "Bergfestung" ab.
Nur drei bedeutendere natürliche Tore durchbrechen den Gebirgsring, durch die schon seit frühester Zeit der Hauptverkehr mit der Außenwelt fließt, der Neißedurchbruch bei Wartha und die Grenzübergänge bei Mittelwalde und Bad Kudowa. Das Innere des Kessels ist von zahlreichen niedrigen Höhen durchzogen, die mit idyllischen Tälern wechseln.
Das Flußsystem der Grafschaft ist sehr übersichtlich. Der Hauptfluß, die Neiße, durchläuft das Land in einer Mittelfurche von Süden nach Norden; erst hinter Glatz, vor dem Durchbruch durch das Gebirge, nimmt er eine nordöstliche Richtung ein. Auf der rechten Seite erhält die Neiße neben den zahlreichen Dorfbächen und der Wölfel nur einen größeren Zufluß, die Biele, die alle Wasseradern im Ostflügel der Grafschaft sammelt. Auf der linken Seite sind die bemerkenswertesten Zuflüsse die Reinerzer Weistritz und die Steine, die bei Scharfeneck/Obersteine die aus dem Norden kommende Walditz aufnimmt. Alle diese Zuflüsse vereinigen sich mit der Neiße in der Nähe von Glatz. Die Grenzflüsse Mettau - mit der aus der Grafschaft kommenden Schnelle - (im Westen) und Erlitz (im Südwesten) fließen zur Elbe.
Die Grafschaft ist mit etwa 37 % der Bodenfläche reich bewaldet. Die Höhen der Gebirge sind mit zusammenhängenden Waldungen bedeckt, aber auch im Talkessel ist fast jeder Berg und jede Kuppe bewaldet. Vorherrschende Nadelhölzer sind Fichte, Tanne und Lärche, bei den Laubhölzern Eiche, Buche, Ahorn, Birke und Esche.
Etwa 44 % der Bodenfläche wurden als Ackerland und ca. 12 % als Wiese genutzt. Nach 1946 haben sich, besonders in den Randbereichen, der Wald und das (oft nur extensiv genutzte) Weideland ausgeweitet. Die weithin naturnahe Landschaft bietet vielen, auch seltenen Tieren und Pflanzen Lebensraum. Der Wildreichtum der Grafschaft ist bedeutend. Die auch heute noch auf Feuchtwiesen wachsende gelbe Trollblume wurde als "Glatzer Rose" zu einem Wahrzeichen des Glatzer Landes.
Die Grafschaft Glatz war trotz ihres Waldreichtums ebenso dicht besiedelt wie das fruchtbare Gebiet Mittelschlesiens. Die Bewohner waren bis 1946 durchweg Deutsche. In einigen Orten in der Nachbarschaft von Bad Kudowa gab es z.T. Grafschafter tschechischer Abstammung.
Eine Anzahl von Orten in der Nähe der alten Straße von Lewin nach Wartha wie Coritau, Poditau, Piltsch, Soritsch, Roschwitz u.a. sind durch ihre zusammengedrängte Siedlungsform (Rundlinge) und durch ihre früheren Namen als ursprünglich slawische Niederlassungen gekennzeichnet. Rein slawisch besiedelt war in früherer Zeit der Hummelbezirk. Die deutschen Kolonistendörfer kennzeichnen sich durch ihre langgedehnte Anlage an beiden Ufern der Bäche sowie durch die geräumigen, von Gärten umgebenen Höfe und die sich vom Flußlauf zur Höhe hinaufziehenden, oft mit Steinrücken zum Nachbarn begrenzten Felder (Waldhufendörfer).
Die Bauernhöfe der Grafschaft sind überwiegend in der "fränkischen Rechteckform" mit oft schön geschwungenem Einfahrtstor zur Straße hin angelegt. Die hintere Ausfahrt führt direkt auf die Felder. Die Gebäude sind aus Stein gebaut, verputzt und hell gestrichen. In den Gebirgsdörfern findet man noch das sogenannte "Umgebindehaus" und das aus Holzbalken gebaute, weiß übertünchte Blockhaus mit ausladendem Dach und kleinen Fenstern. In zahlreichen Orten gab es ein Dominium (herrschaftlicher Gutshof) oder ein Freirichtergut, dessen Inhaber früher die niedere Gerichtsbarkeit ausübte, verbunden mit mancherlei Rechten und Aufgaben.
Mittelpunkt der Dörfer sind die zumeist höhergelegenen Kirchen inmitten des mauerumzogenen Friedhofs.

 

 

© 1995-2002
Text by Junge Grafschaft
Layout by Dipl.-Ing. Christian Drescher, Wendeburg-Zweidorf, Kontakt: Feedback-Formular.
Erste Version vom 03.07.2002, letzte Aktualisierung am 03.07.2002.