Gestalt, Werden und Bedeutung des Glatzer Landes

III. Wirtschaft und Verkehr

Wirtschaftliche Grundlage des Glatzer Landes war bis in die neueste Zeit hinein eine intensive Landwirtschaft. Bis in relativ hohe Lagen mit stark abfallenden Hängen mühten sich auf oft kargen Böden die Bauern; bessere Bedingungen hatten die Landwirte in den fruchtbaren Talauen. Angebaut wurden und werden vorwiegend Roggen, Hafer, Gerste, Zuckerrüben, Kartoffeln und Klee, heute auch Hopfen (bei Glatz). In Berglagen wurde früher auch Lein als Rohstoff für die zahlreichen Hausweber angebaut.
Große Bedeutung hatte auch die Forstwirtschaft, die zahlreichen Menschen Arbeit bot. Für viele Familien in den Gebirgsdörfern waren die in Heimarbeit hergestellten Holzprodukte Existenzgrundlage. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden 90 % der in Deutschland benötigten Holzspanschachteln in Heimarbeit im Glatzer Land hergestellt, vorwiegend im Erlitztal.
Der Holzreichtum bot eine Grundlage für die industrielle Entwicklung des Glatzer Landes. Es entstanden Zündholzfabriken (in Habelschwerdt) sowie Textilspulen- und Holzstiftwerke, Möbelfabriken und Sägewerke sowie Papierfabriken.
Auch die Glasherstellung und -veredlung hat im Holzreichtum der weiten Wälder ihren Ursprung. Sie begann im Mittelalter und gewann vom 17. Jahrhundert an große Bedeutung; erste Glashütten entstanden bei Mittelwalde und Kaiserswalde. In neuerer Zeit gab es Glashütten und -schleifereien u.a. in Friedrichsgrund, Rückers, Altheide, Reinerz, Kaiserswalde und Schreckendorf. Dieser Wirtschaftszweig beschäftigte vor dem Zweiten Weltkrieg mehrere tausend Menschen. Die Glashütte in Seitenberg-Schreckendorf wurde in heutiger Zeit stark erweitert.
Aus Holz schufen die vielen Grafschafter Holzschnitzer neben profanen Kunstwerken viele prachtvolle Altäre, Kanzeln und Statuen für Kirchen und Kapellen. Auch der Geigenbau hat im Glatzer Land eine bedeutende Tradition.
In der Nachfolge der früher zahlreichen Handweber entstanden Textilfabriken, u.a. in Gellenau, Rengersdorf, Ullersdorf, Mittelwalde und Neurode; einige Werke produzieren noch heute.
Eine weitere Grundlage zur wirtschaftlichen Entwicklung boten die Bodenschätze. Wie viele Ortsnamen beweisen, wurden seit dem Mittelalter im Glatzer Bergland Edelmetalle gefördert, doch wurde der Erzbergbau allmählich wegen Unrentabilität eingestellt. Die Förderung von Steinkohle hat in der Grafschaft eine lange Tradition. Seit dem 14. Jahrhundert wurde im Raum Neurode Kohle gewonnen, schon 1524 gab es eine Bergwerksordnung.
In neuerer Zeit gab es die Wenzeslausgrube in Ludwigsdorf-Mölke mit dem Kurt-Schacht in Hausdorf sowie die Neuroder Kohlen- und Tonwerke mit der Ruben-Grube in Kohlendorf, der Rudolf-Grube in Köpprich und der Johann-Baptista-Grube in Schlegel. Der Bergbau war in den 20er und 30er Jahren mit ca 10.000 Beschäftigten größter Arbeitgeber der Grafschaft, das Waldenburger-Neuroder Revier förderte jährlich fast 6 Mio. Tonnen Steinkohle. Heute ist nur noch das nach 1945 stark ausgebaute und modernisierte Bergwerk in Schlegel in Betrieb, doch auch diese Grube soll in absehbarer Zeit geschlossen werden. Auch die beiden großen, vom Bergbau belieferten Kohlekraftwerke in Mittelsteine und Mölke sind stillgelegt.
Einzigartig in Europa war das Vorkommen von Schieferton östlich von Neurode. Die Ruben-Grube förderte 1940 250.000 Tonnen dieses wertvollen Rohstoffes, der sich vorzüglich zur Herstellung von Schamottziegeln eignet.
Der Quadersandstein der Heuscheuer wurden in drei Steinbrüchen ausgebeutet; u.a. wurden der Reichstag und der evangelische Dom in Berlin daraus gebaut. Darüber hinaus seien noch die Marmorsteinbrüche bei Seitenberg und Raumnitz genannt.
Schließlich entwickelte sich das Glatzer Land mit seinen Heilquellen und seiner idyllischen, waldreichen Gebirgslandschaft und seinen Sehenswürdigkeiten in neuerer Zeit zu einem bedeutenden Kur- und Fremdenverkehrsgebiet.
Etwa 40 kohlensäurehaltige Quellen entspringen hier. Die bekanntesten Kurorte sind Bad Altheide, Bad Kudowa, Bad Landeck, Bad Langenau und Bad Reinerz. In mehreren Orten wird Mineralwasser als Tafelwasser abgefüllt.
Gern besucht wurden und werden der Luftkurort Wölfelsgrund und die zahlreichen Ferienorte für Sommer und Winter, wie Grunwald, Karlsberg, Falkenberg, Hausdorf, Klessengrund und viele andere. Viele Dörfer, besonders im Gebirge, boten Fremdenzimmer in Gasthöfen und Privathäusern an und nannten sich "Sommerfrische". In die Badeorte mit ihren zahlreichen Hotels, Pensionen u.a. kamen und kommen neben Kurbedürftigen auch Urlauber.
Von den bekannten Grafschafter "Bauden", wie die Gebirgsgasthäuser der Sudeten genannt wurden, seien hier die Schneiderbaude bei Glatz, die Brandbaude bei Habelschwerdt, die Bismarckbaude auf der Hohen Eule, die Schweizerei auf dem Glatzer Schneeberg und die Ziegenhausbaude bei Bad Reinerz genannt.
Für die Entwicklung der Wirtschaft und die Belebung des Bäder- und Fremdenverkehrs war die Schaffung eines leistungsfähigen Verkehrsnetzes von erheblicher Bedeutung. In den Jahren 1869-1905 entstanden folgende Bahnlinien: die internationale Bahnstrecke (Breslau) - Wartha - Glatz - Mittelwalde - (Wien - Prag) sowie die überregionale Verbindung Glatz - Neurode - (Dittersbach - Görlitz - Berlin). Dazu kamen die regionalen Strecken Glatz - Landeck - Seitenberg, Glatz - Rückers - Bad Kudowa, Mittelsteine - Braunau (Böhmen) und Mittelsteine - Albendorf - Wünschelburg.
Wichtige Durchgangsstraßen verlaufen parallel zu den großen Bahnlinien. Für den Fremdenverkehr ist die Sudetenstraße von Bedeutung, doch auch in jedes Dorf führt heute eine ausgebaute Straße. Das stark ausgeweitete Autobus-Verkehrsnetz hat die Bedeutung des Bahnverkehrs sehr zurückgedrängt.
Drei internationale Grenzübergänge nach Tschechien sind geöffnet: Im Westen Kudowa - Nachod, im Nordwesten Tuntschendorf - Braunau und im Süden Mittelwalde - Grulich, weitere sollen folgen.

 

 

© 1995-2002
Text by Junge Grafschaft
Layout by Dipl.-Ing. Christian Drescher, Wendeburg-Zweidorf, Kontakt: Feedback-Formular.
Erste Version vom 03.07.2002, letzte Aktualisierung am 03.07.2002.