Gestalt, Werden und Bedeutung des Glatzer Landes

V. Religiöse Verhältnisse

Die Bevölkerung der Grafschaft Glatz war zu 90,2 % katholisch, 9 % evangelisch und 0,2 % jüdischen Glaubens (Volkszählung 1925).
Die Begriffe "Herrgottswinkel" oder "Marienland" lassen sich aus dem prägenden Einfluß der katholischen Kirche auf den tiefen Glauben der Grafschafter Menschen erklären. Überall im Land standen und stehen Kapellen und Bildstöcke, Mariensäulen, Kreuze, Kreuzwege mit Kalvarienbergnachbildungen. Zu den Marienheiligtümern in Albendorf und Maria Schnee, Grulich, Wartha und weiteren wallfahrteten die Grafschafter in ihrer Heimat.
Das Glatzer Land ist wohl schon bald nach der Christianisierung dem 973 gegründeten Bistum Prag angegliedert worden. Mit der Erhebung zum Erzbistum im Jahre 1344 wurde der heiligmäßige Arnestus von Pardubitz (1297 - 1364) erster Erzbischof von Prag. Er war zugleich Kanzler Kaiser Karls IV. und liegt in Glatz begraben.
Nach der Reformation wandte sich die Grafschafter Bevölkerung, hauptsächlich unter dem Einfluß des Adels, zunehmend den Lehren Luthers zu. 1621 gab es im Glatzer Land nur noch einen katholischen Pfarrer, Hieronymus Keck in Altwilmsdorf. Dann erfolgte unter Kaiser Ferdinand II., vor allem durch den großen Einsatz des Jesuitenordens, die Wiedereinführung des katholischen Glaubens.
Als 1742 die Grafschaft zu Preußen kam, duldete Friedrich der Große die Einmischung eines österreichischen Bischofs nicht und ernannte zunächst die jeweiligen Dechanten und Vikare selber. Am 30.12.1757 wurde auf Befehl des Preußenkönigs der Glatzer Kaplan Andreas Faulhaber, obwohl unschuldig, am Galgen hingerichtet, weil er einem Fahnenflüchtigen religiösen Beistand geleistet hatte und die Aussage darüber unter Berufung auf das Beichtsiegel verweigerte.
1810 führte die preußische Regierung für die alte Amtsbezeichnung "Königlicher Dechant" den neuen Titel "Großdechant" ein, der einmalig ist in der gesamten katholischen Kirche. 1920 wurde das Glatzer Vikariat zum Generalvikariat erhoben. Damit hatte der jeweilige Generalvikar und Großdechant weitreichende kirchliche Vollmachten und Rechte und wurde Mitglied der deutschen Bischofskonferenz.
In der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland (1933 - 1945) waren auch die Priester und Gläubigen in der Grafschaft Verfolgungen und Schikanen ausgesetzt bis hin zu Verhaftungen und Landesverweisung. Der Jugendseelsorger der Grafschaft, Kaplan Gerhard Hirschfelder, Habelschwerdt, starb am 01.08.1942 im Konzentrationslager Dachau.
Letzter Generalvikar war Großdechant Prälat Dr. Franz Xaver Monse, Pfarrer von Glatz (1882 - 1962). Heute obliegt die Seelsorge des Grafschaft Glatzer Gottesvolkes in der Vertreibung dem jeweiligen Kanonischen Visitator für Priester und Gläubige aus der Grafschaft Glatz, der von der deutschen Bischofskonferenz berufen wird.
Nach der Ratifizierung der Ostverträge 1972 wurde das Glatzer Land kirchenrechtlich dem Erzbistum Breslau zugeordnet, zu dem es faktisch seit 1945 gehörte. Es ist heute in sieben Dekanate gegliedert. Die Pfarrei Königswalde gehört seit kurzem dem neu gegründeten Bistum Liegnitz/Legnica an.
Jeder größere Ort hatte seine Pfarrkirche, kleinere Orte hatten oft ihre Meß-, Andachts- oder Begräbniskapelle; es gab 64 katholische Pfarreien oder (weitgehend selbständige) Pfarrkuratien.
Ab dem 18. Jahrhundert bildeten sich im Glatzer Land evangelische Pfarreien; es gab 10 Kirchengemeinden: Glatz, Habelschwerdt, Hausdorf-Ludwigsdorf, Kudowa, Landeck, Mittelwalde, Neurode, Reinerz, Straußdörfel und Wünschelburg.
Die Mitbürger jüdischen Glaubens hatten in Glatz eine Synagoge, die 1884/85 errichtet wurde und in der sogenannten Reichspogromnacht (09./10.11.1938) niedergebrannt wurde.

 

 

© 1995-2002
Text by Junge Grafschaft
Layout by Dipl.-Ing. Christian Drescher, Wendeburg-Zweidorf, Kontakt: Feedback-Formular.
Erste Version vom 03.07.2002, letzte Aktualisierung am 03.07.2002.