Thema: "Auf Dein Wort hin ..." Lk 5.5
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
Wer ist eigentlich dieser Simon-Petrus, den der Herr am hell-lichten Tag zum Fischfang aussendet und ihm antwortet: "Herr, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, aber wenn du es sagst - auf dein Wort hin, will ich die Netze auswerfen?"
Dieser Petrus ist einer von uns, ein Mann mit feurigem Temperament, manchmal ein wenig vorlaut, der sich mit Leidenschaft einer Sache hingibt, aber auch seine Grenzen erkennt und bekennt: "Herr, geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch."
Wie tröstlich für uns alle, daß Christus Menschen mit Schwächen und Fehlern in seinen Dienst nimmt. So gilt auch uns der Auftrag: Fahrt hinaus in diese stürmische Zeit voller Unruhen, Ungerechtigkeit, Heimatlosigkeit, Hunger und Elend. Christus traut uns zu, für sein Reich zu fischen, damit es gerechter zugeht in dieser Welt. Er traut uns etwas zu, weil sein Wort uns längst schon erreicht hat in der Taufe, in jedem Sakrament, auch in dieser Stunde. Er legt die Hand auf uns, auf dich und mich und sein Wort heißt: "Du, du bist kostbar in meinen Augen, kostbarer als alles Gold der Welt. Ich liebe dich noch mehr als Vater und Mutter dich lieben können und konnten." Dieses Wort zählt und wenn wir uns ihm voll anvertrauen, dann kann Glaube auch Berge versetzen.
Joseph Wittig hat ein schönes Wort uns gesagt:
"Alle Dinge sind durch das Wort gemacht. Wo Gott spricht, da wird aus Nichts eine Welt und wo ohne Gott gesprochen wird, da wird nichts aus der Welt."
Die Erfahrung der Geschichte zeigt das deutlich: Wo ohne Gott gesprochen wird, da wird nichts aus der Welt, da gerät sie aus den Fugen - und wir sind Opfer einer Zeit geworden, da ohne Gott in dieser Welt gesprochen wurde.
Im Vertrauen werfen wir auf das Wort Jesu auch in dieser Wallfahrt die Netze aus ... eigentlich zum 57. Male seit der Vertreibung und was wir gefangen haben, das hat uns weiter geholfen. Im Netz zappelten nicht dicke Fische, sondern Werte, die uns überleben halfen: neues Vertrauen, daß Gott uns nicht fallen läßt und weiter hilft, auch und gerade in den schlechten Zeiten nach dem Krieg.
Prälat Buchmann, damaliger Sekretär der Großdechanten Monse, Christoph und Sommer pflegte zu sagen: "Wenn's a moal goar nemme ging, ging's halt doch wieder."
Ich will Ihr und mein Selbstvertrauen stärken, indem ich ein wenig die Eigenschaften der Menschen aus der Grafschaft Glatz beleuchte. Das kann nicht nur uns gut tun, sondern auch all denen, die mit uns zu tun haben: Ehegatten, Nachgeborene, Menschen auch neben und mit uns. Ich zähle Ihnen fünf Eigenschaften auf, die ich bei Reformationsprediger Georg Aelurius um 1620 fand und die ich ergänzen will. Es ist gut, daß wir uns selbst noch besser kennen lernen als wir es bisher wissen.
Erstens - |
sind die Glatzer - und das gilt für alle Grafschafter - gar arbeitsame Leute. |
Zweitens - |
sind die Grafschafter streitbare Leute, sie mußten sich früher oft genug ihrer Haut wehren. |
Drittens - |
sind die Grafschafter auch barmherzige Leute. |
Viertens - |
sind die Grafschafter fröhliche Leute. |
Fünftens - |
sind die Grafschafter feine und beredte Leute und |
Sechstens - |
jetzt beginnt meine Interpretation - sind die Grafschafter fromme Leute, sonst wären wir jetzt nicht hier. |
Siebtens - |
kenna die Groofschofter lacha on flenna zugleich. |
Achtens - |
begrüßen sich die Groofschofter emoal und verabschieden sich mindestens zweemoal. |
Und sollten sie neuntens eine Eigenschaft vermissen, dann ergänzen Sie sie selbst, dann sind Sie zehntens ein richtiges Groofschofter Naazla.
Der Begriff Naazla kommt ja bekanntlich von den Jesuiten, die 1623 wieder die Grafschafter zum Katholizismus brachten.
Mit den guten Eigenschaften, die sicher auch Westfalen, Niedersachsen, Rheinländer, Bayern oder Sachsen und andere haben, stellen wir uns als Grafschafter Christen wieder den Aufgaben unserer Zeit.
Und diese sind uns Visitatoren vor fünf Jahren, als wir aus der Bischofskonferenz ausgeschlossen wurden, vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz Bischof Karl Lehmann, inzwischen ja Kardinal, mit als seelsorgliche Aufgabe mitgegeben.
1. Identität bewahren,
d. h. überall zeigen und sagen, daß wir nicht nur Grafschafter sind, sondern auch Heimatvertriebene, auch wenn das bis auf höchster Ebene nicht gern gehört wird. Darum habe ich die guten Eigenschaften lauthals verkündet, die weniger guten kennen wir ja selbst zur Genüge. Wir dürfen uns schon auf die Schulter klopfen, weil es andere ja doch so schnell nicht tun.
2. Brücken bauen
Wir bauen an diesen Brücken schon seit 1971 als wir vom "damaligen" Westen her in die Heimat durften. Jahrelang ging es um materielle Hilfe. Jetzt geht es um kulturelle Hilfe bei der Erhaltung von Kirchen und Denkmälern. Es gibt so großartige Beispiele aus Altwaltersdorf, Lichtenwalde, Niederschwedeldorf, um nur einige zu nennen. Was mit dem Kriegerdenkmal in Niederschwedeldorf durch Versetzen und damit zur Rettung geschah, ist schon bewundernswert.
Der Landesvorsitzende des hessischen Bundes der Vertriebenen hat im Blick auf Erhaltung kultureller Werte gesagt: "Wir kommen nicht mit geballten Fäusten, sondern mit gefalteten Händen."
Aber es geht auch um persönliche, menschliche Brücken.
Seit 10 Jahren kommen unsere Landsleute aus Tschechien und der Grafschaft Glatz zur Wallfahrt, seit einigen Jahren sind Jugendliche dabei, Enkel der deutschen Omas und Opas. Und diese Jugend, die auch kräftig bei der Wallfahrt hilft, hat eine "Junge Grafschaft in der Grafschaft" gegründet, die im Amtsgericht als eingetragener Verein gilt.
Mit 100 tschechischen, polnischen und deutschen Jugendlichen habe ich heute vor drei Wochen in Kunzendorf an der Biele einen Gottesdienst gefeiert zum Thema: Freiheit. Acht Tage waren die jungen Leute zusammen. Und nächste Woche fahre ich mit jungen Erwachsenen in die Grafschaft Glatz, um dort ebenfalls neue Kontakte zu Polen und Tschechen zu knüpfen. Daß wir dabei das 10-jährige Bestehen des Deutschen Freundschaftskreises in der Grafschaft feiern und die zum Teil erneuerte Friedhofsanlage in Habelschwerdt einweihen werden, ist auch Verdienst der Zentralstelle Grafschaft Glatz e.V. Auch das hat wie die Bewahrung der Identität mit Seelsorge zu tun. Und wenn unsere deutsche Vergangenheit nach uns, der Erlebnisgeneration, nicht vergessen werden soll, dann sehe ich darin gute Anknüpfüngspunkte.
Lassen Sie mich zum Schluß den dritten Aufgabenbereich der Bischofskonferenz ansprechen - und der hat mit geschichtlicher Wahrheit zu tun!
3. Vertreibung ächten
Da ist z. Zt. ja richtig Feuer unterm Dach und da dürfen wir uns auch politisch nicht heraushalten, sondern mitmischen, wenn es um das "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin geht. Ein solches Zentrum ist beileibe kein gefährliches "nationales Objekt", das die östlichen Nachbarn zu verstören braucht. Hier wird nicht nur auf unsere Vertreibung hingewiesen, sondern auf das gegenwärtige Geschehen an Vertreibung, die sich immer noch in vielen Ländern der Erde abspielt. Da muß massiv die Ächtung der Vertreibung überhaupt eingefordert werden. Vertreibung ist und bleibt menschenunwürdig und menschenrechtsverletzend.
Polen und Tschechen machen politische Klimmzüge, um sich nicht zur Vertreibung der Deutschen bekennen zu müssen. Ihr Bedauern gilt lediglich den "Exzessen", Vertreibung wird als "Aussiedlung" verharmlost oder zu damaliger Zeit als "unangemessen" hingestellt. Zur Zeit sind 25 Millionen in aller Welt ohne Heimat, weil sie vertrieben wurden oder die Flucht ergreifen mußten, um ihr nacktes Leben zu retten. Und wie schwer wird sich der Bundestag tun, den 5. August als "nationalen Gedenktag für die Opfer von Vertreibung" festzulegen im Gedenken an die Charta der Heimatvertriebenen, die 1950 ja an diesem 5. August auf die Bereitschaft hinwies am freien Europa mitzuarbeiten und Rache und Vergeltung damals schon eine Absage erteilte.
Ich würde allen Abgeordneten des Bundestages die Charta unters Kopfkissen legen, damit sie wenigstens unruhig schlafen, wenn sie den Text schon nicht intensiv lesen wollen.
Und wenn in den Grundrechten der Europäischen Union das "Recht auf Heimat" nicht einmal Platz findet, dann haben die Politiker wirklich in dieser Sache nichts aus der schrecklichen Vertreibungsgeschichte mit 15 Millionen Vertriebenen gelernt.
Es geht um sehr vieles in diesen politischen Auseinandersetzungen und da dürfen wir nicht abseits stehen.
Wer besiegt wurde, kann am Ende als Sieger dastehen: Die Kaplan Hirschfelder und viele Millionen ins Grab brachten, werden sich im Grabe umdrehen. Die Seligsprechung Gerhard Hirschfelders, um die wir weiter beten wollen, ist ein solcher Sieg.
Wir wollen durch Wahrheit und christlichen Glauben dafür sorgen, daß Unterdrückte nicht zu neuen Unterdrückern, Vertriebene nicht zu neuen Vertreibern werden. Der Herr sagt uns, weil er uns viel zutraut: "Werft eure Netze aus". Und wir antworten: "Wenn du es sagst, auf dein Wort hin werfen wir wieder und wieder die Netze aus!"
Auf ihn vertrauen wir, daß uns reicher Fischfang gelingt zum Leben und Überleben der Mitmenschen und des eigenen Lebens. "Petri Heil" ist der Zuruf an Angler. Ob es uns nicht auch gilt? Ich sage lieber:
"Wirf deine Netze aus!" Amen
Franz Jung
Großdechant
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