Aktuelle Nachrichten aus der Grafschaft Glatz

 

Das Rathaus von Glatz

von Heinrich Trierenberg

Rathaus vor 1945
Rathaus vor 1945

Zur Stadtgeschichte

Glatz ist die Hauptstadt des Glatzer Landes, das seit 1459 Grafschaft ist und bis 1742 zum Königreich Böhmen gehörte, in welches der Gebirgskessel in seiner markanten geographischen Rechteckform tief hineinreicht. Nach den Aufzeichnungen des böhmischen Chronisten Cosmas von Prag besaß schon der 981 verstorbene böhmische Fürst Slavnik, Vater des hl. Adalbert, hier eine gegen Polen gerichtete Grenzfeste mit Namen "Cladsko", die damit der älteste bezeugte Ort Schlesiens wäre.

Stadtansicht von 1532
Stadtansicht von 1532 mit Schloß, Holzschnitt.

Die Gründung der deutschrechtlichen Stadt erfolgte Ende des 13. Jahrhunderts, und die Besiedlung geschah zum Teil aus der Markgrafschaft Meißen in Sachsen. Diese Stadt Glatz ist 1275 durch Nennung von Vogt und Bürgern urkundlich nachgewiesen. Die planmäßige Stadtanlage entstand im Schutz des Schloßberges am linken Neisse-Ufer. 1334 erwarb die Stadt die Vogtei und die eigene Gerichtsbarkeit. Die herausragende Stellung der Stadt der Tuchmacher ergibt sich daraus, daß ihr bis ins 15. Jahrhundert alle übrigen Städte des Glatzer Landes abgabenmäßig unterstellt waren. Im 13. und 14. Jahrhundert war die Stadt mehrfach an die Breslauer Piastenherzöge verpfändet, verblieb aber bis zum Frieden von Breslau 1742 beim Königreich Böhmen, gehörte bis 1945 zum Erzbistum Prag und war katholisch. Sie wurde erst nach dem Waffenstillstand vom 9. Mai 1945 von den Sowjets besetzt.
Hoch über der Stadt stand das Schloß des Grafen, der über das Land herrschte. Ab 1742 baute dort Friedrich der Große seine stärkste Festung zum Schutz gegen Habsburg. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die zum ansehnlichen Fremdenverkehrszentrum für die Grafschafter Heilbäder und Erholungsorte. Dieser Charakter veränderte sich nach dem letzten Krieg, als die industrielle Entwicklung Vorrang hatte. Metall-, Textil- und Holzindustrie haben das Stadtbild durch Umweltschäden beeinträchtigt, doch die polnischen Restauratoren bemühen sich, auch bei abrißreifen Häusern alte Fassaden und Portale zu erhalten. Jüngst erstanden an der Nordseite des Rings neue Baublöcke.

Das Glatzer Rathaus 1736
Das Glatzer Rathaus 1736. Lithographie von A. Pompejus

Das Rathaus

Schon nach dem Brand des ersten Rathauses im Jahr 1366 entstand 1397 ein gemauerter Neubau. Eine Stadtansicht von F. B. Werner von 1737 zeigt das alte Rathaus als langgestreckten Renaissancebau mit einer Attika, auf der Nordseite mit einem breiten Renaissance-Portal, darüber einem kleinen Balkon für die Verkündigungen und, an der südlichen Außenwand gemauert, die üblichen Krambuden. Leider blieben von diesem Bauwerk bis zu seinem Niederbrennen im Jahr 1886 nur wenige Kunstformen aus dem Mittelalter erhalten. Davon konnten in den Neubau, der 1887-90 entstand, einige Türen, eine davon mit der Jahresangabe 1549, übernommen werden.

Rathaus vor dem Brand 1886
Rathaus vor dem Brand 1886

Der Neubau ist ein anspruchsvolles, dem Zeitgeist entsprechend repräsentatives Gebäude im Neurenaissancestil; er füllt den großen Platz inmitten des Rings quadratisch aus und wurde um den mächtigen alten Turm von 1654 herumgebaut. Er ist mit seinem oberen Arkadengang und seiner zweimal durchbrochenen Haube - erbaut um 1700 - weithin sichtbares Symbol der traditionsreichen Stadt. Das Rathaus blieb 1945, wie auch die ganze Stadt, von Kriegszerstörungen verschont.

Rathaus heute
Rathaus (1990er Jahre)

Ebenso markant sind auch der Löwenbrunnen von 1700 mit dem Wappentier des Königreichs Böhmen und die hochaufragende Mariensäule. Sie wurde nach der Pest-Epidemie von 1680 von Hans Adam Beyerhoff Vorbild der Mariensäule auf dem Prager Altstädter Ring gefertigt und soll an die 1.500 Toten der Stadt erinnern. Das Denkmal erhebt sich über einem siebenstufigen Podest. Rund um die fünf Meter hohe Säule gruppieren sich die Schutzengel der Stadt, Erzengel Gabriel, die Heiligen Josef und Florian. Auf den Ecken des steinernen Geländers halten die Pestheiligen Franz Xaver, Karl Borromäus, Rochus und Sebastian Wacht.

Rathaus mit Löwenbrunnen
Rathaus mit Löwenbrunnen

 

Der vorstehende Beitrag stammt aus dem Band:

Heinrich Trierenberg / Antonin Bock
Rathäuser in Niederschlesien
Deutsche Geschichte – Polnische Gegenwart

176 Seiten; 19,90 EUR
erhältlich bei:
Schlesische Schatztruhe
Brüderstraße 13, 02826 Görlitz
Tel. (0 35 81) 40 20 71, Fax (0 35 81) 40 22 31
Onlineshop unter: https://schlesische-schatztruhe.de/

 

mit freundlicher Genehmigung des Senfkorn-Verlages übernommen
aus: "SCHLESIEN HEUTE" Nr. 12/2003, S. 32-33
(Bestellanschrift: Brüderstraße 13, D-02826 Görlitz/Schlesien,
Internet: www.schlesien-heute.de)

 

Weitere Historische Bilder aus der Kreisstadt Glatz finden Sie in der Rubrik:
Historische Bilder aus der Grafschaft Glatz

 

Zur Seite Aktuelles Zurück zur Seite "Aktuelles"

 

Zur Homepage Zurück zur Homepage

 

© 2003-2023 by Dipl.-Ing. Christian Drescher, Wendeburg
Erste Version vom 25.12.2003, letzte Aktualisierung am 15.11.2023.