Die Geschichte des Mädchens Ida Strauch aus der Straßenschmiede
An der alten Heerstraße von Prag nach Breslau bzw. Krakau
steht kurz vor Glatz die uralte Straßenschmiede. Mehrere Generationen der
Familie Strauch beschlugen die Pferde, reparierten und erneuerten Geräte und
Wagen der Reisenden. Ein hartes aber beschauliches Leben bis zum 17. Juli 1906.
Das älteste Kind Ida, 9 Jahre, verließ um 6 ¼ Uhr das Haus, um
3.400 m weit, allein zur Schule nach Niederschwedeldorf zu gehen. Etwa 200 m hinter
dem Haus wurde es von einem Mann nach dem Weg gefragt, in den Straßengraben
gezogen, vergewaltigt und mit einem alten Messer erstochen.
Die „Glatzer Zeitung“ schrieb ausführlich darüber
am 19., 23. und 27. Juli 1906 und am 18. Januar 1907. Die Kopien liegen dank der
Mithilfe der Stadtbibliothek von 2006 vor, ebenfalls die diesbezüglichen Kopien
der Kirchenbücher in Glatz. So haben wir heute nach 100 Jahren eine genaue
Schilderung des schrecklichen Geschehens. Passanten fanden das leblose Kind und
Oberwachtmeister Weber aus Glatz übernahm den Fall. In der Nähe der Leiche
fand man eine Taschenuhr. Diese wurde zum Uhrmacher Donkel in Glatz gebracht. Anhand
des eingeritzten Reparaturenzeichens und der vorhandenen Kundenliste wurde der Besitzer
ermittelt. Es war der 32-jährige verheiratete, kinderlose Arbeiter und Häusler
Ernst Nentwig aus Seifersdorf bei Albendorf. Oberwachmeister Weber ritt am Freitag,
den 19. Juli nach Seifersdorf und zeigte Nentwig die Uhr. Er sowie seine Frau bestätigten
die Uhr als ihr Eigentum. In Handschellen am Seil hinter dem Pferd herlaufend (12 km)
wurde Nentwig an späten Abend in das Glatzer Gerichtsgefängnis eingeliefert.
Unter großer Anteilnahme fand am 21. Juli 1906 die Beerdigung
des ermordeten Kindes Ida Strauch in Glatz auf dem neuen Friedhof statt. Bei der
Beerdigung anwesend war auch der Lehrer und die Schulklasse aus Niederschwedeldorf,
die die Kleine besucht hatte.
Auf ihrem Grabstein stand nach 1980 „Durch Mörderhand
zum Gott gesandt“.
Am 9. November 1906 wurde Ernst Nentwig vom Schwurgericht in
Glatz zum Tode verurteilt. Die Enthauptung erfolgte am 15. Januar 1907 um 7 ½ Uhr
früh. Scharfrichter Schwietz aus Breslau führte sie auf dem Hofe des Glatzer
Gerichtsgefängnisses durch.
Die Polizei kennzeichnete die Mordstelle mit 2 Pfählen,
an der später ein Holzkreuz errichtet wurde.
Die Kinder aus Mügwitz (etwa 120 Einwohner) und der Straßenschmiede
hatten einen Schulweg von etwa l Stunde bei Wind und Wetter und der damaligen Bekleidung.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Kinder in Glatz eingeschult.
In den großen Wirren nach dem Kriegsende wurden laut
Kirchenbüchereintrug in der Straßenschmiede am 10.05.1945 sechs Personen
von den Russen erschossen. Unter ihnen auch Strauch Paul (73 Jahre alt). Er war
der Onkel und Taufpate von Ida Strauch.
Der letzte deutsche Besitzer der Straßenschmiede war Strauch
Max, geb. am 17.06.1899, ein Bruder von Ida Strauch. Er war verheiratet mit Rolfing
Gertrud aus Roschwitz. Sie wurden 1946 vertrieben und starben kinderlos in Nordenham.
Polen kamen 1945 in die Grafschaft Glatz und auch nach Mügwitz.
1969-1970 wurde die E 67 im Zuge der Glatzer Umgehungsstraße
auf der „Halben Meile“ begradigt. Besitzer der Parzelle 417 ist „Skarb
Panstwa“, Gemeinde Glatz, Dorf Niederschwedeldorf, Höhenlage 353,4 m.
Das Kreuz war alt und beschädigt. Es wurde im Dezember 1999
durch ein 380 cm hohes Kreuz aus Eisen ersetzt. Es wurde eine Blechtafel angebracht
(ohne Text) und mit einem Bild „Mutter Gottes mit dem Jesuskinde“ geschmückt.
Das Bild stammte aus dem Hause Gawron. Frau Danuta, damalige „Sołtys“
hatte die Anschaffung und die Einsegnung organisiert. Der Pfarrer aus Glatz nahm
sie vor. Einwohner von Mügwitz, Jung und Altnahmen daran teil.
Obwohl die polnischen Menschen in Mügwitz bis zum 22. Mai
2006 nichts von dem Mord an Ida Strauch und der Entstehung des Kreuzes wussten,
haben sie sich in christlicher Verantwortung um die Erhaltung bemüht und mit
Blumen geschmückt. Dafür Dank und ein „Vergelt's Gott“.
Aus Anlass des 100. Todestages von Ida Strauch wollen wir neben
dem Kreuz am 24. Juli 2006 beten und einen Gedenkstein errichten und einweihen.
Diesen Bericht schrieb Helmut Goebel aus Niederschwedeldorf, jetzt wohnhaft in 48163
Münster, Am Getterbach 47 - Initiator der Denkmalpflege seines Heimatortes
Niederschwedeldorf und Mitglied des Towarzystwo „Archanioł Michał“
im Mai 2006.
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