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Aktuelle Nachrichten aus der Grafschaft Glatz

 

550 Jahre Grafschaft Glatz

Am 24. Juni 1459, also vor 550 Jahren, erhob der böhmische König Georg von Podiebrad (1420-1471) das Glatzer Land zur Grafschaft Glatz.
Diese Erhebung hatte für das Glatzer Land schwerwiegende dauerhafte Folgen. Die politische Einheit als Grafschaft dauerte bis zur preußischen Annexion der Grafschaft Glatz 1742. Aber der Titel „Grafschaft Glatz“ blieb für die preußischen Könige und deutschen Kaiser erhalten. Und bis heute ist die Grafschaft Glatz im Gedächtnis des Glatzer Volkes erhalten geblieben. Was waren die dynastischen Motive und die politischen Hintergründe, die Georg von Podiebrad 1459 zur Erhebung der Grafschaft Glatz bewegten?
Im Jahre 1454 kaufte Georg den Besitz der ehemaligen Familie Tschastolowitz; dazu gehörten die Pfandschaften Glatz, Münsterberg und Frankenstein. Dadurch gelang es Georg, sein Herrschaftsgebiet von Ostböhmen bis nach Schlesien auszudehnen. Im März 1458 wählten die böhmischen Stände in Prag Georg von Podiebrad zu ihrem König, nachdem der junge König Ladislaus Posthumus 1457 früh gestorben war. Dabei wurde festgelegt, daß sein Königsamt nicht vererbbar sei und somit seine Söhne Viktorin, Heinrich der Ältere und Hinko (Heinrich der Jüngere) ihm nicht auf den böhmischen Thron folgen könnten. Als Georg im Juli 1458 Glatz besuchte, brachten die Glatzer Stände dem neuen König ihre Huldigung dar. Auch die katholische Bevölkerung hielt treu zum neuen König trotz seines hussitischen Glaubens.
Um seinen drei Söhnen eine standesgemäße Herrschaft zu sichern, erhob König Georg 1459 den böhmischen Verwaltungsdistrikt Glatz zur Grafschaft. Sein reichsrechtlich unzulässiger Akt wurde noch im selben Jahr durch Kaiser Friedrich III. sanktioniert. Er erhob das Glatzer Land aus kaiserlicher Machtvollkommenheit zur „wahren Grafschaft“. Der Kaiser erhoffte sich dadurch die militärische Unterstützung des böhmischen Königs Georg gegen die aufkommende Türkengefahr im Balkan. Zugleich ernannte der Kaiser Georgs Söhne zu Herzögen von Münsterberg und Grafen von Glatz.
Nach Georgs Tod 1471 residierte Graf Heinrich der Ältere bis 1498 auf dem Glatzer Schloss. Ihm gehörten neben Glatz und Münsterberg auch die Herrschaften Nachod und Hummel. Die Grafschaft Glatz erhielt durch den ersten Grafen Heinrich auch ein eigenes Wappen, im Schild zwei goldene, nach oben ausgebogene Schräglinksbalken auf rotem Grund.

Wappen der Grafschaft Glatz
Wappen der Grafschaft Glatz
In: Vierteljahrsschrift für Geschichte und Heimathskunde der Grafschaft Glatz,
2. Jahrgang (1882/83), Vorsatzblatt.

Es folgte eine lange Zeit des Friedens, in welcher die Grafschaft Glatz sich von den Zerstörungen der Hussitenüberfälle und Georgs kriegerischen Auseinandersetzungen mit Schlesien erholen konnte. Graf Heinrich kehrte 1473 zum katholischen Glauben zurück. Er stiftete das Franziskanerkloster vor dem Frankensteiner Tor und bestimmte die neu erbaute Kirche St. Georg zu seiner Familiengrabstätte. In dieser Zeit vollendete sich auch der Ausbau der Glatzer Pfarrkirche; 1479 war der Südturm, der weiße Turm, fertig. Es folgte 1487 der kleinere Nordturm, der schwarze Turm. Mit Urkunde von 1477 verlieh Heinrich seiner Residenzstadt Glatz das Privileg zu einem „schenkhause, die Taberna genennt“. Nach dem Tod Heinrichs 1498 mußten seine Söhne wegen großer ererbter Schulden die Grafschaft Glatz 1501 an den österreichischen Grafen Ulrich von Hardeck verkaufen.
 

Historische Karten von Henricus Hondius
Comitatus Glatz. Authore Jona Sculteto. Henricus Hondius excudit.
(Zur Kartenansicht bitte auf die Bilder klicken.)

COMITATVS GLATZ 1638
COMITATVS GLATZ (1638)

COMITATVS GLATZ 1639
COMITATUS GLATZ (1639)

 
Die Grafschaft Glatz blieb innerhalb des böhmischen Königreichs mit seinen 18 Verwaltungseinheiten (Kreise bzw. Distrikte) die einzige derart herausgehobene Grafschaft. Sie überdauerte die böhmische Kreisreform 1714, welche die Zahl der Kreise auf zwölf verminderte. Erst mit der preußischen Annexion 1742 verlor die Grafschaft Glatz ihre landespolitische Eigenständigkeit; sie verlor ihre bisherigen, böhmischen Selbstverwaltungsrechte und wurde als ein Kreis der Provinz Schlesien „auf preußischen Fuß gestellt“ und in eine strenge Staatsverwaltung eingebunden.
Dennoch übernahm der preußische König Friedrich II. nach 1742 den Titel „Souverainer und oberster Herzog von Schlesien wie auch der Grafschaft Glatz“, der auch noch im großen Titel der deutschen Kaiser von 1871 bis zur Abdankung 1918 beibehalten wurde.
So wechselvoll die Grafschaft Glatz nach 1459 als politische Verwaltungseinheit im Verlaufe der Jahrhunderte sich auch gestaltete und staatsrechtlich 1742 endete, in der Geschichtsschreibung und im Bewußtsein der deutschen Bevölkerung blieb der Titel „Grafschaft Glatz“ bis auf den heutigen Tag lebendig erhalten. Insbesondere nach der Vertreibung 1945/46 identifizierte sich das Grafschafter Volk in der Diaspora intensiv mit der ehemaligen „Grafschaft Glatz“ als seiner verlorenen, aber unvergessenen Heimat. Heute bemühen sich neben tschechischen Historikern auch die polnischen Bewohner des Glatzer Landes immer stärker um die Jahrhunderte lange, böhmische und deutsche Geschichte der Grafschaft Glatz, die dort im Laufe dieses Jahres groß gefeiert werden soll.

© Manfred Spata (Glatz), Bonn

Der Autor ist u.a. Mitglied

Weitere Informationen über sein Engagement finden Sie unter: www.spata-bonn.de

 

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