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Aktuelle Nachrichten aus der Grafschaft Glatz

 

Die ehemalige Garnisonkirche zu Glatz
1744 - 1837

 

Auszug aus der Zeitschrift „Die Grafschaft Glatz“ von 1913

mit Transkription in moderne Schrift
 

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Die ehemalige Garnisonkirche zu Glatz.
Von O. Victor.

Nicht nur Bücher, auch Kirchen und Gotteshäuser haben ihre Geschicke. Auch die alte evangelische Garnisonkirche zu Glatz hat der wechselvollen Tage gar viele gesehen und sicherlich ist ihre geschichtliche Vergangenheit interessant genug, um auch an dieser Stelle des Näheren gewürdigt zu werden.
Bekanntlich waren in der Grafschaft Glatz zur Zeit der preußischen Besitzergreifung evangelische Kirchen nicht mehr vorhanden. Das mußte sich zunächst in Glatz am meisten fühlbar machen, weil hier von den Offizieren und Mannschaften der preußischen Besatzung ein guter Teil dem evangelischen Bekenntnisse angehörte. In der preußischen Armee war zu keiner Zeit über dem Waffendienst der Dienst der Altäre vergessen worden, am allerwenigsten war dies der Fall in den Tagen, die durch den Namen Friedrichs des Großen berühmt geworden sind. Auch Glatz erhielt darum alsbald seinen eigenen evangelischen Militärgottesdienst, und zwar suchte man sich in Ermangelung einer Kirche damit zu helfen, daß man ein Getreidemagazin auf der Festung notdürftig für gottesdienstliche Zwecke herzurichten begann. Die religiöse Feier, die hier am 5. Juli 1744 abgehalten wurde, war der erste evangelische Gottesdienst, der seit dem Jahre 1622, also nach einer Unterbrechung von 122 Jahren, in der Grafschaft wieder öffentlich abgehalten wurde. Es war aber klar, daß der enge Raum auf der Festung nur für den Notfall genügen konnte. Um so freudiger wurde denn auch das Entgegenkommen der Glatzer Stadtverwaltung begrüßt, die vom 12. Juli gleichen Jahres ab für die Gottesdienste der evangelischen Gemeinde den Rathaussaal zur Verfügung stellte. Allein auch diese Lösung vermochte auf die Dauer nicht zu befriedigen. So wandte sich im Jahre 1748 der damalige Gouverneur der Festung und der Grafschaft Glatz, Generalleutnant de la Motte Fouqué, mit der Bitte an den König, der evangelischen Militärgemeinde zu einem eigenen Gotteshause zu verhelfen. Nicht umsonst, denn bereits unter dem 14. August 1748 ließ der König durch die Breslauer Kriegs- und Domänenkammer eine Summe von 350 Reichstalern anweisen mit der Bestimmung, damit das oberste Stockwerk des Land- und Steuerhauses zu Glatz für die Abhaltung des evangelischen Militärgottesdienstes herzurichten. Indessen stellten sich diesem Plane so viele Schwierigkeiten entgegen, daß nichts anderes übrig blieb, als von seiner Ausführung Abstand zu nehmen.
Dank der Fürsorge des Gouvernements wurde alsbald ein Ausweg gefunden. Mit der besonderen Genehmigung der zuständigen Behörden wurde nämlich die in der Frankensteinerstraße in dem früheren bürgerlichen Brauhause gelegene Garnisonbäckerei in das damalige Krankenhaus des Hospitals verlegt und das frei gewordene Backhaus der evangelischen Militärgemeinde zur Verfügung gestellt. Mit der vom König angewiesenen Summe konnten indessen die Kosten des Umbaues allein nicht bestritten werden. So schrieb denn Generalleutnant von Fouqué eine Kollekte aus, zu der er selber 200 Rtlr. [1] spendete und die im ganzen 737 Rtlr. 22 Gr. einbringen sollte. Da auch dieser neue Fonds zur Deckung der Kosten nicht ausreichte und der Bau zwei Jahre lang nicht weitergeführt werden konnte, trat Fouqué unter dem 10. Juni 1751 abermals mit der Bitte an die Öffentlichkeit, durch milde Gaben das gute Werk zu unterstüzen. Der Ertrag dieser zweiten Sammlung, zu der auch die verschiedenen Städte der Grafschaft und, wie die Akten hervorheben, auch zahlreiche Katholiken ihr Scherflein beisteuerten, belief sich – einschließlich einer zweiten Spende des Generalleutnants von Fouqué – auf insgesamt 771 Rtlr. 14 Gr. 8 Pf. Die namentlichen Verzeichnisse der einzelnen Spender sind noch vorhanden, während die Ausgabenbelege vom Oktober 1758 bis zum März 1763 während der Okkupation der Festung Glatz durch die Österreicher (1760 bis 1763) verloren gegangen sind. Aus einem späteren Aktenstücke (vom 18. Januar 1787), das von dem Rendanten Obersten von Castillion und dem Feldprediger Haveland des von Götzenschen Infanterieregiments unterzeichnet und in den „Glatzer Miscellen“ (1822 Seite 61) veröffentlicht ist, geht indessen hervor, daß die Gesamteinnahmen bis zum Jahre 1782 – einschließlich der Einkünfte aus Braurechten, die von früher an dem Grundstück hafteten – 1968 Rtlr. 18 Gr. 6½ Pf., die Baukosten dagegen 1661 Rtlr. 4½ Pf. betragen haben. Nach einer Bauzeit von fast vier Jahren konnte die neue Kirche *) mit der in den Kellerräumen angelegten Gruft endlich eingeweiht werden. Die Feierlichkeit fand am 20. August 1752 statt und wurde von dem Feldprediger Johann Gottlieb Kahlo vom Infanterieregiment de la Motte Fouqué vollzogen. Der Text der Weihepredigt war genommen aus Jer. 7, 3.

*) Sie war 84 Fuß lang, 29 Fuß breit und hatte 2 Chöre. Der Altar, 5 Fuß 8 Zoll von der hinteren Giebelseite, stand auf einer Erhöhung von 1 Fuß 5 Zoll und hatte bei einer Länge von 4 Fuß 5 Zoll 3 Fuß 5 Zoll Breite. Hinter dem Altare hart an der Giebelwand befand sich die Kanzel, 12 Fuß über dem Fußboden. Der Fußboden selber, der mit Mauerziegeln gepflastert war, lag 2 Fuß 4 Zoll über der Straßenhöhe, von der aus 4 steinerne Stufen in die Kirche führten.

Ehemalige Garnisonkirche zu Glatz. Aufn. v. Korff (Glatz).
Ehemalige Garnisonkirche zu Glatz.
Aufn. v. Korff (Glatz).

Fortan wurde denn auch in der neuen Kirche allsonntäglich Gottesdienst gehalten, und zwar gemeinsam für die Angehörigen der evangelischen Militär- und Zivilgemeinde. Da damals jedes Regiment seinen eigenen Feldprediger hatte, genügten vorerst die beiden Geistlichen der zwei in Glatz garnisonierenden Regimenter, um gleichzeitig die Funktionen bei der noch nicht allzu großen evangelischen Zivilgemeinde mit zu versehen. Erst als diese an Seelenzahl zugenommen, wurde im Jahre 1764 auch ein eigener evangelischer Zivilgeistlicher angestellt.
Acht Jahrzehnte gingen ins Land, aber sie gingen an dem alten Bauwerk nicht spurlos vorüber. Abgesehen davon, daß Dachstuhl und Chorsäulen große Spuren von Baufälligkeit aufzuweisen hatten, waren die Grundmauern durch das vom Festungsberge herabkommende Wasser derart in Mitleidenschaft gezogen worden, daß die Kirche am 13. Oktober 1813 kurzer Hand geschlossen werden mußte. Es blieb nichts übrig, als in den Jahren 1834-1836 den Gottesdienst der beiden vereinigten Gemeinden im Refektorium des ehemaligen Minoritenklosters, jetzigen Garnisonlazarett, abzuhalten. Und wieder war es ein preußischer König, Friedrich Wilhelm III., der den evangelischen Gemeinden zu Glatz eine neue Kirche schenkte, indem er ihnen durch A. K. O. [2] vom 22. August 1834 die ehemalige Franziskanerkirche beim Frankensteiner Tor zur Verfügung stellte. Da aber dieses Gotteshaus seit der Klosteraufhebung im Jahre 1810 als Heu- und Strohmagazin benutzt worden war, nahm der Umbau geraume Zeit in Anspruch. Die nicht unerheblichen Kosten wurden von der Militärverwaltung bestritten, im übrigen wurde das Verhältnis der beiden evangelischen Gemeinden zu einander durch Abkommen vom 19. November gl. Js., wie folgt, geregelt: „Die evangelische Garnisongemeinde ist als eigentliche eingepfarrte Gemeinde zu betrachten. Die evangelische Gemeinde der Stadt und die des nach seinen Grenzen bereits feststehenden ländlichen Bezirks treten zu dieser Kirche in das Verhältnis einer Gastgemeinde. Die ersten Einrichtungskosten werden aus Militärfonds bestritten, dagegen trägt die evangelische Zivilgemeinde zu den künftigen Unterhaltungskosten des kirchlichen Gebäudes diejenigen Beiträge, welche nach § 743 Tit. 11 Teil 11 A. L.-R. [3] der Gastgemeinde obliegen. Da übrigens die Garnison- und Zivilgemeinde ziemlich gleich stark sind, ... so wird festgesetzt, daß die Zivilgemeinde von den ⅔ der Kosten, die auf sie entfallen, ¼, also von der ganzen künftigen Baukostensumme ⅙ der erforderlichen Baukosten beiträgt. Dabei wird vorausgesetzt, daß dieses ⅙ der Beitragskosten erst dann von der Zivilgemeinde gefordert werden kann, wenn dieselben aus dem Militär-Kirchen-Aerario unbeschadet der etatsmäßigen Ausgaben nicht bestritten werden können.“ Der Umbau wurde so beschleunigt, daß am 13. Juli 1835 auf dem westlichen Turme die drei neuen Glocken angebracht werden konnten, von denen die große 733 Pfund wiegt und auf der äußeren Rundung folgende Inschriften trägt:

„Anno 1834
überwies Seine Majestät der König
Friedrich Wilhelm III.
dieses Haus dem evangelischen Gottesdienste.“

Und auf der anderen Seite:

„Anno 1835
Ward ich nebst den anderen beiden Glocken dieses Turmes von A. Krüger in Breslau für die in diesem Hause neu eingerichtete Garnisonkirche gegossen. Dies Gebäude, ehemals Franziskaner-Kirche, wurde oft durch Krieg und Brand verwüstet. Gott beschütze dieses Haus.“

Man schrieb den 20. März 1836, als das erste festtägliche Glockengeläut in die Weite klang. Es rief zu den Feierlichkeiten der Kirhenweihe. In glanzvollem Zuge siedelten die beiden Gemeinden aus dem Refektorium des ehemaligen Minoritenklosters über in ihr neues Gotteshaus und mit Recht pries an jenem Tage Superintendent Handel aus Neisse in einer Predigt über Ps. 134. 2, 3 neben Gottes Güte und Barmherzigkeit auch die Großmut der preußischen Könige, die ihren Untertanen Kirchen und Altäre bauen. *)

*) Vergl. Predigt bei der Einweihung der Garnisonkirche in Glatz ... auf Verlangen zum Druck überlassen von Chr. Fr. Handel. Glatz, gedruckt bei Franz August Pompejus

So war denn seit August des Jahres 1837 das alte Gotteshaus in der Frankensteiner Straße verwaist. Nicht völlig, denn noch ruhten von hölzernem Schrein umschlossen drunten in der stillen Gruft – die Toten. Am 4. September 1837 machten auch diese sich auf ihren letzten, allerletzten Weg. Fünf Särge wurden aus der Tiefe gehoben und auf dem Kirchhofe bei dem ehemaligen Franziskanerkloster in geweihter Erde beigesetzt. Nachweislich enthielten sie die Ueberreste des Obersten von Nimschewsky, gestorben als Kommandant von Glatz am 10. Oktober 1764, des Majors Calow von Hofen, gestorben beim Regiment von Fouqué am 8. September 1774, der Maria Luise von Thadden, gestorben im Alter von 72 Jahren am 29. Juli 1784 und zweier Kinder, deren Name nicht mehr ermittelt werden konnte. Die sterblichen Reste der am 8. April 1753 in der Gruft der alten Kirche beigesezten Gemahlin des Kommandanten Frau Elisabeth Maria Baronin de la Motte Fouqué wurden nicht mehr vorgefunden, wie auch über ihren Verbleib nichts Näheres mehr festzustellen war. Nah den Lebenden waren somit auch die Toten aus dem Hause geschieden, das fast ein Jahrhundert lang der evangelischen Gemeinde eine gastliche Zuflucht geboten hatte.
Nicht lange lag das ehemalige Gotteshaus verödet. Noch im Dezember des Jahres 1837 erkaufte die Stadt das Anwesen für eine Summe von 1175 Reichstalern, um es zu einem Privathause umzubauen. Heute befindet sich in dem altehrwürdigen Hause eine katholische Schule und frische Kinderstimmen dringen aus den Räumen, die vordem gottesdienstlichen Zwecken geweiht gewesen. So haben nicht nur die Bücher, sondern auch die Kirchen und Gotteshäuser ihre eigenen Geschicke. Und verlohnen wird es sich, sie um so treuer vor dem Vergessenwerden zu bewahren, je mehr sie von der Glaubenskraft und der Opferwilligkeit unserer Väter zeugen.

 

Anmerkungen und Erläuterungen:
[1] Von 1750 bis 1806 entsprach in Preußen ein Reichsthaler (Rtlr.) 90 neuen Groschen (Gr.) zu je 18 Pfennig (Pf.).
[2] A. K. O. = Allerhöchste Kabinettsorder (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten)
[3] A. L.-R. = Allgemeines Landrecht (für die Preußischen Staaten)

Quelle:
Zeitschrift „Die Grafschaft Glatz“
Illustrierte Zeitschrift des Glatzer Gebirgsvereins
Nr. 8/1913, S. 109-111

 
S. l09
 
S. l10
 
S. l11

Digitalisat: Cyfrowego Dolnego Śląska, Książnica Karkonoska, Jelenia Góra
https://jbc.jelenia-gora.pl/dlibra/publication/12388/edition/11983/content

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Erste Version vom 01.01.2024, letzte Aktualisierung am 11.01.2024.