WAS LANGE WÄHRT, ...
dass der Sinnspruch „Was lange währt, wird endlich gut!“ auch für
einen Friedhof gelten kann, der nach der kriegsbedingten Vertreibung aus Schlesien
vor 60 Jahren den Widrigkeiten des Wetters, der mutwilligen Zerstörung und
auch dem Diebstahl von Grabsteinen schutzlos ausgeliefert war, hat sich jetzt in
Ebersdorf (Kreis Habelschwerdt) bestätigt.
Nach zunächst jahrelangen erfolglosen Bemühungen haben
zehn polnische und ein deutscher Jugendlicher im Sommer 2006 damit beginnen dürfen,
auf dem historischen deutschen Friedhof in Ebersdorf aus den etwa 120 verbliebenen
Grabsteinen ein Lapidarium zu errichten. Weil diese an sich schweren Arbeiten durch
die auch in Polen unerträgliche Sommerhitze 2006 zusätzlich erschwert
wurden, sorgte, sogar der Pfarrer, der jahrelang die Sanierung des historischen
Friedhofes nicht unterstützte, für Verpflegung, Getränke und kühlendes
Eis.
Der erste gegossene Sockel wurde mit 13 Grabsteinen bestückt.
Als dann ein Bagger mit Personal vom Städtischen Bauhof
aus Mittelwalde eintraf, um die von den Jugendlichen nicht leistbaren Erd- und
Transportarbeiten zu übernehmen, trauten diese ihren Augen nicht, was da
plötzlich alles machbar war.
Ohne Bagger vom Mittelwalder Bauhof wäre vieles nicht möglich gewesen.
Auch die von der polnischen Dorfbevölkerung ausgesprochenen
Bitten um Entschuldigung und Worte des tiefen Bedauerns über den ungepflegten
Zustand des Friedhofes haben deutlich gemacht, dass in unserer schlesischen Heimat
mitfühlende und zur „Versöhnung über den Gräbern“
(Motto unseres Workcamps) bereite Menschen leben, die uns auf ihre Höfe einluden
und teilweise auch unsere Zeitzeugengespräche besuchten.
Das Friedhofskreuz „Opfer der Liebe“ wurde mit 2 Manschetten gesichert.
Der Höhepunkt unserer zweiwöchigen Anwesenheit im heutigen
Domaszków und unserer geleisteten Sanierungsarbeiten wurde am Ende schriftlich
erreicht: Er besteht im Angebot des Gemeinde- und des Ältestenrates von Domaszków
an die Ebersdorfer Heimatgemeinschaft „zu einer engen Zusammenarbeit bei der
Fortsetzung des Projektes ...“ »Versöhnung über den Gräbern«.
Der Friedhofszaun an der Straßenseite wurde in einer deutsch-
polnischen Gemeinschaftsarbeit silberfarben frisch gestrichen.
Verständlich, dass dieses noch zu sozialistischer Zeit völlig
undenkbare Angebot bei der Ebersdorfer Kirmes am 16./17. September 2006 in Löhne/Herford
zunächst mit einigem Erstaunen aufgefasst und dann doch mit großer Zustimmung
applaudiert wurde; zumal die bisherigen offiziellen Kontakte sehr auf die Besichtigung
der Heimatkirche St. Nikolaus und den Besuch des historischen Friedhofes begrenzt
waren und von lediglich verhaltenem polnischem Entgegenkommen und Freundlichkeit
geprägt waren.
Zwei Grabsteine am Friedhofseingang bleiben an Ort und Stelle stehen.
Kein Wunder, dass sich nach dem Bericht über diese bedeutsame
Wandlung polnischerseits, spontan, auf Vorschlag von Rudolf Schmidt, dem Initiator
des Workcamps „Versöhnung über den Gräbern“, acht rüstige
Seniorinnen und Senioren zur Teilnahme an einem einwöchigen Senioren - Workcamp
vom 09.-13. Oktober 2006 bereit erklärten und diese die Sanierungsarbeiten in
Ebersdorf erfolgreich fortsetzten.
Dass sie dabei nicht nur vom katholischen Pfarrer Jan Machiolek
von Domaszków im Gottesdienst angekündigt und auf dem Friedhof begrüßt
wurden, macht das zwischenzeitlich gewandelte Interesse deutlich. Der mehrfache Besuch
des Bürgermeisters Tomasz Korczak aus Mittelwalde und der regionalen Presse
zeigten, dass deutsche Besucher heute in Polen selbst dann interessant sind, wenn
sie die Polen an ihre eigene Vertreibung vor 60 Jahren und den schmerzlichen Verlust
ihrer eigenen Heimat erinnern. Denn im vertrauten Dialog miteinander kann man auch
vereinzelt von den in Schlesien nach dem Krieg angesiedelten Polen erfahren, dass
sie sich selbst als Vertriebene fühlen, die sich ebenfalls für die Heimat
ihrer Vorfahren interessieren und sie besuchen.
Obwohl es eigentlich gar keines zusätzlichen Beweises der
Ernsthaftigkeit nach Versöhnung und Zusammenarbeit bedurft hätte, bekamen
im Oktober die eifrigen Senioren aus der Ebersdorfer Heimatgemeinschaft sie, wie folgt, geliefert:
- Zunächst sind der wiederholte Einsatz des Baggers mit unterstützendem
Personal und ein für die Planierungsarbeiten dringend notwendiger Schieber
zu nennen.
- Weiterhin der zeitweise Arbeitseinsatz von vier polnischen Frauen, fünf
Männern und vier Jugendlichen bei Streich- und Erdarbeiten, zu denen beispielsweise
die Gemeindevorsteherin, der Tierarzt, der Elektromeister, der Musiklehrer und die
Leiterin des Kulturhauses zählten, die alle ihre sonstige Arbeit unterbrachen
und ein Zeichen der Solidarität setzten.
- Aber auch die tägliche Versorgung der Friedhof-Sanierer zur Mittagszeit
im Kinderheim und zur Kaffeezeit mit Kaffee, Tee und leckerem Gebäck im Kulturhaus
durch freundliche Frauen aus der nahen Siedlung
haben deutlich gemacht, dass unsere Anwesenheit wahrgenommen
und unser Tun begrüßt wurde.
Die historischen Grabsteine, Zeitzeugen aus den Jahren 1890-1941,
sind nicht nur auf Grund Ihrer besonderen Inschriften („Bauergutsbesitzer“,
„Jungfrau“ und „Junggesell“, „Weichenstellerfrau“
oder „Kohlenkaufmann“, usw.) Wert zu schätzen. Die intensive Ahnenforschung
von Ebersdorfer Familien über familiäre Aufzeichnungen und der Einblick
in die historischen Kirchenbücher von Ebersdorf ermöglicht einerseits,
die verwandtschaftliche Verbindung der Einzelgräber untereinander herbei zu
führen und andererseits, interessierten Ebersdorfer - Nachkommen die historischen
Grabsteine Ihrer Vorfahren und - Ahnen bekannt zu geben.
Bei allem Fortschritt der Baumaßnahmen und der Begeisterung
über die deutliche „Klimaverbesserung“ in den Beziehungen zur polnischen
Bevölkerung vor Ort sowie den kirchlichen und kommunalen Institutionen muss
deutlich gesagt werden, dass unser angestrebtes Ziel noch lange nicht erreicht ist.
Dazu bedarf es weiterer freiwilliger Arbeitseinsätze und auch finanzieller Spenden
zur Deckung der Material- und Sachkosten vor Ort. Auch in Polen sind Kraftstoffe
für die Maschinen und Baustoffe zur Erstellung des Lapidarium nicht unentgeltlich
zu bekommen.
Bereits nach diesem ersten Jahr der Sanierung sind wir fest davon
überzeugt, dass jede weitere Arbeitsstunde und jeder gespendete EURO auch eine
Investition in die Verbesserung des deutsch-polnischen Verhältnisses bedeuten!
So wird zur Fortsetzung der begonnenen Arbeiten ein weiteres
voraussichtlich 10-tägiges Workcamp in Ebersdorf für Mai 2007 geplant.
Bei diesem sollen weitere Grabsteine auf Betonsockeln befestigt und Grabdenkmäler
stabilisiert werden. Zusätzlich sind Planierungsarbeiten zwischen den Gräbern
zu verrichten. Das Workcamp, zu dem sowohl rüstige Senioren als auch Frauen
und Männer der Nachwuchsgeneration eingeladen sind, wird durch Ausflüge
und Besichtigungen in die nähere Umgebung und spezielle Kontakte in Ebersdorf
und Oberlangenau ansprechend ergänzt.
Unsere Kontaktadressen für erste unverbindliche Anmeldungen
und Auskünfte sind: schmidt.rudolf (at) gmx.de oder
gabriele-janocha (at) gmx.de.
Schon heute sagen wir allen „Herzlichen Dank!“,
die unser Projekt mit einer Spende auf das Konto Nr. XX XXX XXX der Missions-
und Priesterhilfe Glatz e.V. bei der Darlehnskasse Münster, BLZ 400 602 65
unter dem Stichwort „Friedhof Ebersdorf“ unterstützen. Auf Wunsch
erhalten Sie gerne eine Spendenbescheinigung!
© Gabriele Janocha (V.i.S.d.P.)
Fotos © 2006 Winfried Krause
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