Der folgende Artikel erschien in „Schlesische Nachrichten“ Nr. 10.2017:
Gerhard Franziskus Johannes Hirschfelder kam als Sohn der unverheirateten Schneidermeisterin Maria Hirschfelder zur Welt - was damals eine schwierige Kindheit bedeutete, doch er glich viele Zurücksetzungen durch sein heiteres Naturell und das unkomplizierte Zusammensein in der Jugendbewegung „Quickborn“ aus. Nach dem Abitur 1927 in Glatz studierte er Philosophie und Theologie an der Universität in Breslau als Priesteramtskandidat des Erzbistums Prag, zu dem die Grafschaft Glatz damals noch gehörte.
1932 wurde er - nicht ohne Probleme wegen seiner unehelichen Herkunft - zum Priester geweiht; die Primiz feierte er deshalb auch nicht in seiner Taufkirche, der Glatzer Pfarrkirche, sondern in der Herz-Jesu-Kapelle zu Bad Langenau. Bis 1939 war er anschließend Kaplan in Tscherbeney und dann Kaplan in Habelschwerdt sowie Diözesanjugendseelsorger für die Grafschaft Glatz.
Kaplan Hirschfelders konfessionelle Jugendarbeit in Opposition zur Hitlerjugend sowie seine freimütigen Predigten fielen den Nationalsozialisten von Anfang an unangenehm auf. Seine Predigten wurden bespitzelt, seine Arbeit kontrolliert. Eine Jugendwallfahrt im Juni 1941 mit 2.300 Jugendlichen wurde gestört. Jugendliche warnten Hirschfelder, aber seine Antwort war: „Kinder, ich kann nicht anders, wenn ich sehe, was sich gegen die Kirche und gegen die Menschenwürde tut, ich muss es von Herzen loswerden.“ Als in Habelschwerdt im Juli 1941 ein christlicher Bildstock zerstört wurde, bezog Hirschfelder am Sonntag danach in seiner Predigt deutlich Position: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher.“ Fünf Tage später wurde er während einer Jugendglaubensstunde verhaftet und ins Gefängnis nach Glatz gebracht. Dort verfasste er Kreuzweg-Gebete, sie erschienen in den 1950er-Jahren gedruckt und erreichten zahlreiche Auflagen. Mitte Dezember 1941 wurde er mit der Häftlingsnummer 28972 ins Konzentrationslager nach Dachau verfrachtet, wo er am 1. August 1942 nach unsäglichen Misshandlungen völlig entkräftet und ausgehungert starb.
Wir zitieren zwei Männer, die Hirschfelder aus dem KZ kannten. Der Oblatenpater Engelbert Rehling berichtete: „Herr Kaplan Hirschfelder wohnte mit mir zusammen auf Block 26/3. Er machte auf seine Umgebung einen überaus bescheidenen, fast scheuen Eindruck, übte eine edle Zurückhaltung und war gleichzeitig bereit, jeden Liebesdienst zu erweisen. Er war ein Heiliger“.
Als 1946 Polen die Häuser und Wohnungen der vertriebenen Deutschen in Glatz bezogen, sollen drei Männer und eine Frau im Wohnzimmer eines Hauses das Bild von Kaplan Hirschfelder gesehen haben. Ein Mann sei plötzlich ganz still und nachdenklich geworden. Er habe sich immer wieder das Bild angesehen und dann gesagt: „Der Mann ist ein Heiliger, mit dem war ich im KZ.“
Hirschfelders Asche wurde ohne Bekanntgabe der Todesursache einige Wochen nach seinem Tod auf dem Friedhof in Grenzeck - wie Tscherbeney seit 1935 hieß - beigesetzt. 1998 wurde der Seligsprechungsprozess eröffnet. Nach der Anerkennung des Martyriums durch Papst Benedikt XVI. nahm Joachim Kardinal Meisner die Seligsprechung am 19. September 2010 im Dom zu Münster vor.
SN
Quelle: Schlesische Nachrichten, Nr. 10.2017, Seite 29
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