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Aktuelle Nachrichten aus der Grafschaft Glatz

 

Zum Holocaust-Gedenktag

Nebenlager des KZ Groß-Rosen in der Grafschaft Glatz

Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (Jahrestag der Befreiung von Auschwitz) am 27. Januar erinnern wir an das Konzentrationslager Groß-Rosen (Rogoźnica) in Niederschlesien, in dem etwa 130.000 Menschen inhaftiert waren, von denen rund 40.000 ermordet wurden.
Das KZ Groß-Rosen hatte auch Nebenlager in der Grafschaft Glatz, die sich in Ludwigsdorf, Mittelsteine und Sackisch sowie Grafenort befanden:
In Ludwigsdorf (Ludwikowice Kłodzkie) wurden schon ab August 1941 bis zu 2.000 jüdische Männer und Frauen für Bauarbeiten und zur Arbeit in der unterirdischen Munitionsfabrik der Dynamit AG in Mölke (Miłków) auf dem Gelände der stillgelegten Wenceslaus-Grube eingesetzt. Das Lager war der Wehrmacht unterstellt und wurde im Februar 1945 evakuiert.
In Mittelsteine (Ścinawka Średnia) mussten etwa 400 weibliche Häftlinge für die Fa. Albert Patin, Werkstätten für Fernsteuerungstechnik, Berlin (Luftfahrtkompasse) vom 24. August 1944 bis 1. April 1945 arbeiten. In Sackisch (Zakrze) wurden 700 weibliche Häflinge für die Vereinigte Deutsche Metallwerke (VDM) vom 1. August 1944 bis 8. Mai 1945 beschäftigt. In Grafenort (Gorzanów) arbeiteten rund 200 weibliche Häftlinge vom 12. April 1945 bis 8. Mai 1945.

Kartenausschnitt der KZ-Nebenlager in der Grafschaft Glatz
KZ-Nebenlager in der Grafschaft Glatz (gelb unterlegt)
Kartenausschnitt: © Muzeum Gross-Rosen w Rogoźnicy

FAL Grafenort entstand Ende März/Anfang April 1945, als etwa 200 Frauenhäftlinge aus dem FAL Mittelsteine (poln. Ścinawka Średnia) in ein stehendes gemauertes Gebäude am Ortsrand von Grafenort (poln. Gorzanów) überstellt wurden. Alle Frauen waren Jüdinnen, die aus Polen, aus der Region Łódź stammten. Die Lagerinsassinnen waren hauptsächlich bei dem Schanzenbau und den Reinigungsarbeiten von Gleisanlagen beschäftigt. Einige Frauen arbeiteten in einer nahe gelegenen Papierfabrik.
Am 8. Mai 1945, nach dem erfolglosen Lagerevakuierungsversuch wurden die Frauenhäftlinge von der Roten Armee befreit.

FAL Ludwigsdorf wurde im Juli 1944 eingerichtet. Das Lager befand sich im Tal am Stadtrand Ludwigsdorf (poln. Ludwikowice Kłodzkie), mit einem Wald und Bergen umgegeben. Früher, mindestens von Juni 1942 funktionierte in denselben Baracken das Zwangsarbeitslager für Juden, die sog. Organisation Schmelt. Im Lager gab es sowohl Frauen als auch Männer. Im Juli 1944 wurde das Lager in ein Nebenlager des KL Gross-Rosen für Frauen umgewandelt; die Männer wurden deportiert und auf ihre Stelle kamen neue Transporten mit Frauen. Im FAL Ludwigsdorf gab es zirka 600 Frauen jüdischer Herkunft, die hauptsächlich aus Polen und Ungarn sowie in geringerer Zahl aus Niederlanden kamen. Die Frauenhäftlinge waren in der Munitionsfabrik Dynamit AG und Mölke-Werke beschäftigt. Es war eine schwere und ungewöhnlich gesundheitsschädliche Arbeit. Die Frauen hatten ständig Kontakt mit gefährlichen Chemikalien und vor allem mit sehr gefährlichen für Gesundheit Schießpulver. Die Sterblichkeit im Lager war sehr hoch; man schätzt, dass sie sogar bis zu 300 Opfer forderte. Im Januar 1945, nach der Produktionseinstellung in der Fabrik, mussten die Frauenhäftlinge Panzergräben aushauen und Befestigungsanlagen errichten.
Mitte April 1945 wurde ein Teil der Frauenhäftlinge ins Nebenlager Gross-Rosen in Görlitz evakuiert. Am Platz wurden kranke und marschunfähige Frauen gelassen; in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 wurden die Häftlinge von der Roten Armee befreit.

FAL Mittelsteine wurde in der zweiten Augusthälfte 1944 am Rand der Ortschaft Mittelsteine (poln. Ścinawka Średnia) errichtet. Im Lager gab es ungefähr 400 Jüdinnen, größtenteils aus Polen und Ungarn. Die meisten Frauenhäftlinge waren in dem örtlichen Zweigbetrieb der Firma Fa. Albert Patin, Werkstätten für Fernsteuerungstechnik aus Berlin, bei der Munitionsherstellung beschäftigt. Die Frauen arbeiteten auch beim Bunkerbau für die Munitionsfabrik sowie auf dem Lagergelände.
Im April 1945 wurde das Lager aufgelöst und die Frauenhäftlinge evakuiert: die Polinnen nach Grafenort (poln. Gorzanów), wo ein neues Lager eingerichtet wurde und die Ungarinnen in das FAL Mährisch Weißwasser (Bila Voda, in Tschechien).

FAL Sackisch wurde Ende August/Anfang September 1944 errichtet. Das Lager befand sich in einem riesigen Lagerkomplex (hier waren es auch Kriegsgefangen- und Zwangsarbeitslager), das sich auf einer Länge von 2 Kilometer entlang des Wegs zwischen Sackisch (poln. Zakrze) und Bad Kudowa (poln. Kudowa Zdrój) erstreckte. Im Lager lebten mindestens 950 Frauenhäftlinge, die mit einigen Transporten aus dem KL Auschwitz gebracht wurden. Es waren Jüdinnen aus Polen, Ungarn, Tschechien und Jugoslawien. Fast alle Frauenhäftlinge waren in den Vereinigten Deutschen Metallwerken (VDM) beschäftigt, auf dem Gelände der ehemaligen Textilbetriebe der Gesellschaft C. Dierig, wo sie Flugzeugsteile herstellten. Die genaue Opferzahl bleibt unbekannt. Es bewahren sich nur 16 Berichte über Todesfälle der Frauenhäftlinge, die in der Nähe der örtlichen Kirche begraben wurden.
Das FAL Sackisch wurde nicht evakuiert. Im April 1945 stellte die Firma VDM Produktion ein und Frauenhäftlinge wurden zum Teil beim Straßenbau auf dem Gebiet damaligen Protektorats Böhmen und Mähren, zum Teil zu Arbeiten für die örtliche deutsche Bevölkerung in der Landwirtschaft eingesetzt. Am 8. Mai 1945 teilte die Kommandoführerin der Frauenhäftlinge mit, dass sie frei sind. Dann wurden sie zur tschechisch-deutschen Grenze in Nachod von SS-Männern begleitet und den Tschechen übergeben.

Quelle: Muzeum Gross-Rosen w Rogoźnicy (https://de.gross-rosen.eu/)

 

Einige polnische Heimatforscher schreiben, dass die Glatzer Festung auch ein Nebenlager des KZ Gross-Rosen war:
Die Festung Glatz gehörte von 1940 bis 1943 zum KZ Gross-Rosen und wurde zu einem schweren Gefängnis für politische Gefangene mit einer Folterstätte und Arbeitslager.
Die Festung war 1944-1945 Sitz der AEG Werke, die hier Teile für V1-Raketen sowie elektrische Anlagen für U-Boote und Flugzeuge produzierte.
Noch vor dem Zweiten Weltkrieg wurde die Glatzer Festung zu einem Wehrmachtsgefängnis umgewandelt. Dieses wurde in den letzten Kriegsmonaten auf die Nebenfestung am Glatzer Schäferberg verlegt.

Soldaten der Wehrmacht 1943 in der Glatzer Festung
Soldaten der Wehrmacht 1943 in der Glatzer Festung

Soldaten der Wehrmacht 1943 in der Glatzer Festung
Soldaten der Wehrmacht 1943 in der Glatzer Festung

Soldaten der Wehrmacht 1943 in der Glatzer Festung
Soldaten der Wehrmacht 1943 in der Glatzer Festung

Quelle: fotopolska.eu

Christian Drescher


In der Ausgabe Nr. 11/2022 der Heimatzeitung „Grafschafter Bote“ erschien dieser Artikel:

Grafschafter Bote, Nr. 11/2022, S. 10
Grafschafter Bote, Nr. 11/2022, S. 11

 

 

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Erste Version vom 27.01.2022, letzte Aktualisierung am 03.11.2022.