Wiedersehen ohne große Corona-Einschränkungen
75. Jahreswallfahrt der Grafschaft Glatzer zur Gnadenmutter von Telgte
Gut 300 Landsleute, Angehörige und Pilger kamen am 27. August wieder aus nah und fern nach Telgte. Einige hatten auch eine weite Anreise nicht gescheut, um an der 75. Jubiläumswallfahrt der Grafschaft Glatzer teilzunehmen.
Den Einzug in die gut besetzte Propstei- und Wallfahrtskirche St. Clemens führte das Banner der Wallfahrtsgilde Telgte an, gefolgt von den Bannern des Arnestus von Pardubitz und des Seligen Kaplans Gerhard Hirschfelder sowie der Fahne der Jungen Grafschaft.
Es folgten die Grafschafter Priester mit Großdechant Franz Jung, Propst Dr. Michael Langenfeld, Präses Dr. Marius Linnenborn, Pfarrer Martin Karras sowie weitere Priester und Diakon, die Bischof Dr. Felix Genn aus Münster zum Altarraum geleiteten.
Propst Dr. Langenfeld richtete herzliche Begrüßungsworte an die Gläubigen und insbesondere an die Zelebranten.
Präses Dr. Linnenborn begrüßte Bischof Dr. Felix Genn, den er in diesem Jahr zur Glatzer Wallfahrt eingeladen hatte.
Anschließend eröffnete der Bischof den festlichen Wallfahrtsgottesdienst. Als Meßgesang wurde die beliebte Schubert-Messe gefeiert. In seiner Predigt, die er mit dem diesjährigen Wallfahrtsmotto „Himmel + Erde berühren“ begann, ging der Bischof besonders auf die Heimatvertriebenen ein.
„Die Friedensarbeit, die Sie und Ihre Vorfahren geleistet haben, muss fortgesetzt und auch mit denen geteilt werden, die nicht oder nur schwer vergeben können“, betonte Bischof Dr. Felix Genn im Festgottesdienst. Er zog vom Schicksal der deutschen Vertriebenen am Ende des Zweiten Weltkriegs eine direkte Linie zu den ukrainischen Flüchtlingen. „Gerade Sie können nachempfinden, was die Menschen in der Ukraine seit Monaten erleben müssen“, wandte sich Bischof Genn an die Vertriebenen. Sicherlich sei das Bewusstsein der Heimat an diesem Tag lebendig, doch mische sich vermutlich auch die Solidarität mit den Menschen, die derzeit in Kriegsgebieten vertrieben werden oder freiwillig ihre Heimat verlassen, darunter.
Ganz bewusst hätten sich die Vertriebenen aus der Grafschaft Glatz damals Telgte als geistliche Heimat ausgesucht. „In dem Bild der Schmerzhaften Muttergottes, dieser traurigen Frau, die ihre Tränen nicht verbergen kann, konnten sie sich mit ihrer Not und ihrem Leid wiederfinden, sie fühlten sich verstanden und tun es bis heute“, erklärte der Bischof. Er dankte den anwesenden Vertriebenen und den Vorfahren der Angehörigen für die geleistete Friedensarbeit, von der er nur ahnen könne, wie viel Kraft diese gekostet habe. „Frieden zu stiften, der hält und trägt, diese Aufgabe hat eine brennende und leidvolle Aktualität“, fasste Genn zusammen und rief die Gläubigen zum Gebet für den Frieden auf.
(Quelle: Pressemitteilung des Bistum Münster vom 27.08.2022)
Auch eine Abordnung des Glatzer Gebirgs-Vereins kam aus Braunschweig zur Wallfahrt.
Die Propstei- und Wallfahrtskirche St. Clemens war mit vielen Landsleuten gut besucht.
In Konzelebration (v.l.n.r.) Pfarrrer Martin Karras, Diakon Arnold Bittner, Großdechant Franz Jung, Bischof Dr. Felix Genn, Präses Dr. Marius Linnenborn, Propst Dr. Michael Langenfeld und Diakon Georg Olbrich
Bischof Dr. Felix Genn (Mitte) segnete die Wallfahrer aus der Grafschaft Glatz.
Nach dem Festgottesdienst versammelten sich alle Mitwirkenden um den Bischof.
Auch die gewohnten Treffen der Grafschafter Landsleute nahm in der Mittagszeit seine gewohnte Bedeutung ein. Trefflokale gab es für einzelne Orte in der Grafschaft jedoch nicht mehr, da nicht mehr genügend Teilnehmer erwartet wurden. Stattdessen traf man sich rund um die Wallfahrtskirche an den Ständen und in den umliegenden Cafés.
Die Malteser sorgen wieder mit der Erbsensuppe für das Mittagessen.
Auch Fleischermeister Grämmel aus Detmold hatte nach der Corona-Pause im letzten Jahr wieder seinen beliebten Stand mit heißen „Oppelner“, „Krakauer“ und Kümmelwürstchen sowie anderen schlesischen Wurstspezialitäten aufgestellt. Manche Pilger aßen sogar warme Wellwurst.
Leider kam kein Bäckerwagen mit Mohn- und Streuselkuchen.
An gewohnter Stelle auf der Straße neben der Kirche war auch wieder der Stand des „Grafschafter Boten“ und der Zentralstelle Grafschaft Glatz/Schlesien e.V. mit Buchverkauf, den erstmals die neuen Vorstandsmitglieder der Zentralstelle betreuten.
Roland Scholz, Daniel Spitzer, Reinhard Schmidt und Christian Drescher am Bücherstand der Zentralstelle Grafschaft Glatz (v.l.n.r.).
Der Pfarrsaal war für Kaffee und Kuchen hergerichtet.
Aus dem Bücherbestand des Glatzer Büros in Münster wurden Bücher und kleine Hefte gegen eine Spende angeboten.
Die feierliche Schlussandacht am Nachmittag war gut besucht und stand im Zeichen der neuen Seligen aus der Grafschaft Glatz, Schwester Adela (Clara) Schramm aus Gabersdorf-Wiesau. Sie wurde im Juni dieses Jahres in Breslau zusammen mit neun weiteren Ordensschwestern aus der Kongregation der Schwestern von der Heiligen Elisabeth als Märtyrer seliggesprochen.
Von der Seligsprechung im Breslauer Dom unter Leitung des Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, Kardinal Marcello Semeraro, am 11. Juni berichtete Großdechant Prälat Franz Jung.
Er zeigte dabei auch den Kelch des Seligen Gerhard Hirschfelder.
Kardinal Semeraro habe das Martyrium dieser Frauen „aus Hass auf den Glauben“ anerkannt und langsam die Namen der zehn neuen Seligen ausgesprochen, wobei er jeder von ihnen einen Titel hinzufügte: Adela Schramm, „die kluge Jungfrau“.
Schwester Adela hatte sich 1945 nach der Evakuierung der Pfarrei mit anderen Flüchtlingen im niederschlesischen Günthersdorf im Kreis Bunzlau bei der Familie eines Landwirts versteckt. Als russische Soldaten den Hof überfielen, versuchte Schwester Adela die anderen Flüchtlinge zu beschützen. Doch russische Soldaten erschossen sie und die Bauersfamilie am 25. Februar 1945.
Auf dem Heimatplatz in Telgte ...
... ergänzt eine Stele mit ihrem Namen seit wenigen Tagen die Glatzer Gedenktafeln.
Nach dem Segen für die Pilger und der Segnung die Andachtsgegenstände ging die Wallfahrt zu Ende.
An dieser Stelle sei dem langjährigen Berichterstatter der Glatzer Wallfahrten in Werl und Telgte, unserem lieben Heimatfreund Günther Gröger, sehr herzlich für seinen ehrenamtlichen Einsatz gedankt. Ich habe dieses Amt auf seine Bitte übernommen, weil ich einem Landsmann aus dem oberen Bieletal und aus einem Nachbarort meines Vaters diese nicht abschlagen konnte, obwohl ich schon zahlreiche andere Verpflichtungen habe.
© Text und Fotos: Christian Drescher, www.grafschaft-glatz.de
Stellvertretender Vorsitzender der Zentralstelle Grafschaft Glatz/Schlesien e.V.
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