Versöhnung in Niederschwedeldorf
Junge Polen helfen einem alten Schlesier
Das schlesische Waldhufendorf Niederschwedeldorf in der Grafschaft Glatz, im schönen Weistritztal, ist in 305-390 m ü. NN gelegen und von Ackerland umgeben. Erstmals wird Schwedeldorf 1269 in einer Urkunde des Bischofs Johannes III. von Prag erwähnt. Damit gilt es als eines der ersten deutschen Dörfer des Glatzer Landes, das urkundlich genannt wurde. Die ersten Einwanderer kamen aus Franken, Thüringen, Hessen und der Markgrafschaft Meißen. In dieser Zeit benannte man die Siedlungen oft nach den Lokatoren. Deshalb nimmt man an, daß Schwedeldorf von einem Lokator namens Schwedel angelegt worden ist.
Graf von Reden, Oberberghauptmann von Schlesien, erwarb 1787 das größte in Schwedeldorf gelegene Gut vom Jesuiten Orden. Von l8l5 bis zur Vertreibung 1946 gelangte es unter dem Besitzer, Freiherr von Münchhausen, zu Ansehen und Größe. 325 ha Land gehörten allein zu diesem Gut. 1939 zählte das Dorf immerhin 784 Einwohner.
Hatte Schwedeldorf in den früheren Jahrhunderten mal unter den Polen und mal unter den Böhmen zu leiden, so wurde es Mitte des 15. Jahrhunderts von den Hussiten gebranntschatzt. Nur ein Bauernhof und die Mühle blieben erhalten. Kriegswirren und Hungersnot brachten Cholera und Pest ins Land und rafften, zuletzt 1832, viele Menschen dahin. An diese Katastrophen erinnert noch heute der Cholerafriedhof, sowie die Feldkapellen mit dem Sammelgräbern hinter den einzelnen Gehöften. Niederschwedeldorf verfügte nicht nur über eine beachtenswerte Landwirtschaft, sondern auch über sehr vielseitige Handwerker. In der 1850 erbauten Zuckerfabrik, eine der ältesten Deutschlands, fanden viele Dorfbewohner Arbeit und Brot.
Helmut Goebel (Mitte) mit zwei Helfern bei der Restaurierung des Antonius-Bildstockes
auf dem Goebel-Hof in Niederschwedeldorf
Von den Kriegseinwirkungen blieb Niederschwedeldorf weitgehend verschont. Am 8. Mai 1945 erfolgte der Einmarsch der Russen. Kurz danach kamen die ersten Polen in das Dorf. Ohne Friedensvertrag begann am 5. März 1946 die unrechtmäßige Vertreibung. Der erste Transport, mit fast der Hälfte der Einwohner, kam nach Kloster Oesede bei Osnabrück. Der zweite Transport führte in das Sauerland und der dritte blieb in der Gegend um Halle an der Saale. Zehn Deutsche wohnen noch in Niederschwedeldorf/Szalejow
Dolny.
Am 8. Juni 1962 übernahm Kloster Oesede die Patenschaft für Niederschwedeldorf. Bereits seit den 50-er Jahren waren viele Niederschwedeldorfer in ihrem Heimatdorf. Einer von ihnen, Helmut Goebel, ist längst wieder ständiger Gast in seiner schlesischen Heimat. Knapp 70 Schlesienfahrten zählt er inzwischen. In den letzten Jahren hat er im Dorf sieben Bildstöcke und Gedenksteine, fast auf eigene Kosten, vorbildlich restauriert und vor dem Verfall gerettet. Bei seinem jüngsten Besuch, im Oktober 2002, kümmerte er sich um ein 1927 gestiftetes Kriegerdenkmal. Das rund 3,5 Meter hohe und sechs Tonnen schwere Denkmal, stellt den aus Heuscheuer Sandstein bestehenden Erzengel Gabriel dar. Vor dessen Restaurierung mußte es zunächst umgesetzt werden, denn der alte Standort zwischen Schule und Kirche war inzwischen Kohleplatz geworden. Zahlreiche Verhandlungen und Anträge mit der Gemeinde Glatz waren nötig, ehe der Engel an seinen neuen Standort, den ehemaligen Pausenhof der Schule, schweben konnte. Dort wurde er am 17.10.2002, nach einer Gedenkminute und einem Gebet, auf das neue Fundament gesetzt.
Umgesetztes Kriegerdenkmal in Niederschwedeldorf
Ende März des Jahres 2003 will Helmut Goebel dann in Zusammenarbeit mit ortsansässigen Handwerkern, die Michael-Figur „zur Ehre Gottes“, restaurieren. Außerdem sollen in dem parkähnlichen Gelände, in dem das Denkmal steht, Gras eingesät und Blumen gepflanzt werden.
Alle Interessierten läd Herr Goebel schon heute ein, um Pfingsten 2003 die Wiedereinweihung des Denkmals zu feiern. Denn nach seiner Umsetzung und mit Hilfe des neu gegründeten Vereins soll das Denkmal möglichst viele Jahre auf seinem neuen Platz stehen bleiben.
Vorstand des Vereins „Towarzystwo Archanioł Michał“ (Erzengel Michael) in Niederschwedeldorf
Wenn auch vieles bezahlt ist, für die Restaurierung und die Gestaltung der Anlage braucht der Initiator der Aktion noch einige Tausend Złoty. Aus diesem Grund und weil sich auch künftig jemand um diese schöne Anlage kümmern muß, wurde am 25. Oktober 2002 auf Initiative Helmut Goebels ein Verein gegründet. Dieser polnische Verein heißt „Towarzystwo Archanioł Michał“ (Erzengel Michael). Laut Satzung wird sich der Verein besonders um die Pflege und den Erhalt von Denkmälern im Ort kümmern. Das ein Deutscher solch eine Vereinsgründung in die Wege geleitet hat, ist wahrscheinlich einzigartig für einen polnischen Verein.
Vorsitzende des Vereins, dessen Eintragung derzeit beim Amtsgericht in Breslau läuft, wurde die Polin Arleta Kalinowska, denn aus rechtlichen Gründen ist es schwierig, als deutscher Staatsangehöriger Vorsitzender eines polnischen Vereins zu sein.
Besonders freut sich der 77-jährige Helmut Goebel, daß 23 junge Polen aus dem heutigen Szalejow Dolny, Mitglieder des Vereins geworden sind.
Roswitha Hennig
mit freundlicher Genehmigung des Senfkorn-Verlages übernommen
aus: „SCHLESIEN HEUTE“ Nr. 02/2003, S. 32
(Bestellanschrift: Brüderstraße 13, D-02826 Görlitz/Schlesien,
Internet: www.schlesien-heute.de, E-Mail: info (at) senfkornverlag . de)
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