Hoffnung für Neurode
Die Stadt in der Grafschaft Glatz ringt um ihre Zukunft
Die schwer mit dem Strukturwandel ringende schlesische Stadt
Neurode hofft durch den EU-Beitritt Polens und einen Ausbau der Westkontakte aus
der wirtschaftlichen Talsohle heraus zu kommen. Der Förderung des Tourismus
kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. In Zusammenarbeit mit dem Verein zur Erforschung
und Erhaltung schlesischer Orgeln e.V. (VEESO) soll die wertvolle, überregional
bekannte Orgel in der St. Nikolaus-Kirche saniert werden.
Die historischen Wurzeln von Neurode reichen bis 1352. Viele Jahrhunderte lebte
die Stadt von der Tuchmacherei bis im 19. Jh. die Kohlenflöze entdeckt
wurden. Damit begann die Zeit des industriellen Aufschwungs. Zahlreiche Gebäude
aus jener Zeit geben trotz gegenwärtigen Verfalls ein sprechendes Zeugnis dafür.
Dennoch hatte auch die damalige Bevölkerung der Stadt mit Problemen zu kämpfen.
Die Bergleute, die das schwarze Gold aus der Erde förderten, profitierten nur
wenig von dem Aufschwung. In der Zeit unsicherer sozialer Verhältnisse führten
sie zum Teil ein erbärmliches Leben, daß sich erst mit den Jahren langsam
verbesserte. Einen erneuten Rückschlag brachte der verlorene 1. Weltkrieg.
Durch die Grenzziehung zur Tschechoslowakei gab es Absatzprobleme für die Kohle
und andere wirtschaftliche Erzeugnisse. Jahre, an die sich Hoffnungen knüpften,
wurden bald durch den verhängnisvollen II.Weltkrieg beendet. Nach der
Vertreibung der Deutschen wurde das Land polnisch.
Das Rathaus in Neurode im Oktober 2003
40 % ARBEITSLOSIGKEIT
Zunächst ergaben sich für die neue polnische Bevölkerung wenige
Probleme. Im Gegenteil machte die Montanindustrie machte hier die Bergarbeiter
zu einer bevorzugten Bevölkerungsgruppe. Ihr Verdienst war hoch. Die Mieten
für die Wohnungen, die der kommunistische Staat nach der Enteignung eingeführt
hatte, waren niedrig. Sie deckten die Kosten für die Erhaltung der Gebäude
nicht, so daß die Häuser allmählich verfielen. Der Putz bröckelte
ab, die Fenster und Türen verfaulten. Undichte Dächer, die einmal einen
Schaden erlitten hatten, bedeuteten den Ruin des ganzen Hauses. Dieses Erscheinungsbild
ist den deutschen Besuchern überall in Schlesien begegnet. Hier in Neurode
ist es tragisch, weil sich nach der Wende trotz mancher Anstrengungen wenig änderte.
Die Ursache liegt im Niedergang des Kohlebergbaus und der Textilindustrie. Die Zahl
der Arbeitslosen ist bis auf 40 % gestiegen. Trotzdem sehen junge und unternehmerische
Polen eine Chance für Stadt und Land durch den Aufbau wirtschaftlicher Kontakte
mit dem westlichen Ausland. Dazu gehört auch Bürgermeister Kilinski von
Neurode. In diesem Zusammenhang setzt er sich zum Beispiel dafür ein, daß
der Kontakt mit der Partnerstadt Castrop-Rauxel (bei Dortmund) weiter ausgebaut
wird, z.B. auch die Schüler- und Jugendbegegnungen. Er würde sich wünschen,
daß für die Rekonstruktion der Altstadt die alten deutschen Pläne
verwendet werden könnten. Diese sind zur Zeit nicht auffindbar, aber er rechnet
damit, daß die vertriebenen deutschen Neuroder bei ihrer Beschaffung helfen
könnten. Aus Anlaß des polnischen EU-Beitritts im kommenden Mai 2004
würde er gern gemeinsam mit den westlichen Nachbarländern einen Europäischen
Tag feiern.
In Gestalt der holländischen Firma Orion, die Füllmasse herstellt, ist
bereits ein Investor auf den Plan getreten. Es wurde damit ein erstes positives
Signal gesetzt, das zwar an der Arbeitslosigkeit noch nicht viel ändert, aber
den Menschen doch Hoffnung gibt.
In diese Bestrebungen fügt sich hilfreich die Stiftung zur Erneuerung des Neuroder
Landes (Fundacja Odnowy Ziemi Noworudzkiej) ein. Ihr Vorstand, Teresa Bazala, Irena
Rogowska und Julian Golak geben eine attraktive Monatschrift
"Ziemia Klodzka/Glatzer Bergland" in drei Sprachen,
Polnisch, Deutsch und Tschechisch heraus. Sie verfolgen damit das Ziel, dieses an
Naturschönheiten und vielen Vorzügen so reiche Land über die engen
Grenzen des Kreises Neurode hinaus, bekannt zu machen. Man hofft, den Tourismus
zu fördern und als Einnahmequelle, wenigstens für einen Teil der Bevölkerung
zu erschließen.
Auf diesem Gebiet engagiert sich auch der Präses der s.g. Friedensstaffel,
Mieczysław Czyszka. Die Friedensstaffel ist eine Gesellschaft, die sich alle
möglichen Arten von friedensfördernden Maßnahmen zum Ziel gesetzt
hat, z.B. deutsch-polnische Benefizkonzerte oder Sportveranstaltungen. Ihr Netz
ist weit gespannt. Herr Czyszka pflegt Kontakte zu Regierungskreisen in Warschau
und Brüssel. Seiner Initiative ist die Gründung einer polnisch-tschechischen
Hochschule für Wirtschaft, Marketing und Management in Neurode zu verdanken.
"Die Friedenstaffel" beteiligte sich an der Instandsetzung des Wittighauses in Neu Sorge
bei Schlegel/Słupiec.
Blick in die St. Nikolauskirche mit der wertvollen Orgel
WERTVOLLE ORGEL IN DER ST. NIKOLAUS-KIRCHE
Am 14. November 2003 fand eine gemeinsame Sitzung zwischen Pfarrer Kos
und dem Direktor Czyszka von der katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus
in Neurode, dem Bürgermeister Kilinski von Neurode, den Vertreterinnen der
Stiftung zur Erneuerung des Neuroder Landes, Frau Bazata und Frau Ragowska mit Pfarrer
Reinhard Hausmann vom Verein zur Erforschung und Erhaltung schlesischer Orgeln e.V.
(VEESO), statt. In dieser Sitzung wurde die Bedeutung der Orgel in der St.-Nikolaus-Kirche
herausgestellt. Sie ist mit 48 Registern die größte Orgel in der Grafschaft
Glatz und ein herausragendes Beispiel einer frühromantischen Großorgel
aus der Werkstatt der weltbekannten Orgelbaufirma Schlag &. Söhne, Schweidnitz,
gebaut im Jahre 1890.
Nach sorgfältiger Vorbereitung der Instandsetzung und reiflicher Überlegungen
von den Kirchenvertretern und Pfarrer Hausmann vom VEESO wurde zur Restaurierung der
Orgel der Firmenverbund von Orgelbau Wilhelm Sauer, Müllrose, und Adam Olejnik,
Tomaszowo, ausgewählt.
Bei der Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel in Höhe von 156.000 Euro
muß allen an dem Projekt Beteiligten immer die große Bedeutung der Orgel
vor Augen stehen, deren Faszination sich gewiß über Neurode hinausreichen
und sich nicht nur auf ganz Polen sondern auch auf Tschechien und Deutschland erstrecken
wird. Aufgrund der hohen Kosten sollen die Arbeiten in drei Bauabschnitten durchgeführt
werden. So soll der erste Bauabschnitt mit der Ausführung grundlegender Arbeiten
96.000 Euro erfordern, die von den drei beteiligten Institutionen zu je einem
Drittel beschafft werden müßten, wobei Pfarrer Hausmann bat, sich gegenseitig
bei der Geldbeschaffung zu unterstützen. Für die polnische Seite ergeben
sich erfolgsversprechende Maßnahmen durch Kontakte nach Warschau und zur deutschen
Partnerstadt Castrop-Rauxel, sowie zu den ehemaligen deutschen Bewohnern von Neurode.
Pfarrer R. Hausmann bat um Empfehlungsschreiben von Pfr. Kos und Bürgermeister
Kilinski. Sehr hilfreich wären auch Empfehlungsschreiben der Diözese Breslau
durch Kardinal Gulbinowicz sowie des Generalkonsuls. Ein Empfehlungsschreiben von
Bischof Reinelt, zuständig für das Bistum Dresden-Meißen, und aus
Neurode stammend, liegt bereits zusammen mit der Zusage einer Spende vor.
So hofft man, mit Hilfe von ergänzenden Maßnahmen, wie Spendenaufrufen,
Sponsoren und Benefizkonzerten, das Projekt der Restaurierung der Orgel in Neurode
schrittweite zu verwirklichen.
Die St. Nikolaus-Kirche in Neurode
Text und Fotos: GREGOR LASKOWSKI
Spendenkonto:
VEESO (Verein zur Erforschung und Erhaltung schlesischer Orgeln e.V.)
Spendenkonto: Bank für Kirche und Diakonie (BKD) Duisburg
Nr. 1013062010 (BLZ 350 601 90)
|