Renata Czaplińska (1935-2024)
Ikone der Tradition des Kreises
Renata Czaplińska verstarb am 30. Oktober 2024 im Alter von 89 Jahren, Gründerin von Haus Lerchenfeld (Dom Skowronki) und dem Gottwaldhof (Gotwaldówka), bekannte Kustodin in der Region Glatz, bekannt als Bewahrerin der alten Bräuche ihrer Bewohner.
Renata Czaplińska wurde in Kunzendorf (Trzebieszowice) 1935 geboren und wuchs im benachbarten Heinzendorf (Skrzynka) auf. Im Jahr 1946 konnte die Familie Dank ihrer Kenntnisse der polnischen Sprache in ihrem Heimatland bleiben.
Renata Czaplińska liebte die Region Glatz, sie kannte sie sehr gut, sowohl das Wissen aus der Literatur als auch das Wissen über das Alltagsleben und die Volksbräuche. Sie war eine der letzten, die das Pauersch sprechen konnte, den Dialekt des Kreises Glatz.
Sie war Zeugin der wechselnden Geschichte, und sie sah ihre Aufgabe darin, die Geschichte zu bewahren.
Um die Geschichte, die sie kannte, zu bewahren, schuf sie mit Hilfe vieler guter Menschen das Freilichtmuseum Gottwaldhof und früher das Haus Lerchenfeld (Dom Skowronki), wo sie die zweisprachige Tafel mit dem Schriftzug auf Pauersch: „Derhääme-Häusla“. Auf hochdeutsch heißt: „wie zu Hause“ anbrachte. Sie wußte, was die Mädchen am Ostermorgen taten, um ihre Schönheit zu bewahren, welche Lieder gesungen wurden, wie der Kuchen traditionell angeschnitten wurde.
Sie wußte es, denn sie ist eine, die heute zu den wenigen Menschen gehört, die von den Vorkriegsbewohnern des Landes abstammen.
„Meine Großeltern Maria und Anastazy Paschilke lebten für kurze Zeit in Kunzendorf, später dann dauerhaft in Heinzendorf. Mit dem Ende des Krieges kamen die Russen aus Richtung Reichenstein (Złoty Stok). An allen Häusern wurden weiße Fahnen aufgehängt. Die Russen trieben fast das gesamte Dorf bis zum Schloß, wo sie anhielten. Von dort aus plünderten und vergewaltigten sie in den nächsten Tagen.
Im Juni kam der polnische Bürgermeister, und die polnische Miliz übernahm das Kommando. Die Deutschen mußten eine weiße Armbinde tragen. Es begann ein Zustrom von Siedlern. Nicht alle wurden aus dem Osten vertrieben, es gab auch Plünderer und Diebe. Man konnte sehen, es war klar, daß hier für sie der ‚Wilde Westen‘ herrschte,“ sagt Karina Fuglińska und zitiert die Erinnerungen ihrer Mutter.

Renata Czaplińska mit ihrer Tochter Karina Fuglińska
Am Abend des 2. April 1946 erging der Befehl, daß sich am nächsten Tag alle Deutschen mit ihrem Gepäck bis zu 20 Kilogramm in der Schule einzufinden haben. Das lebende und tote Vieh blieb auf dem Hof. Die Bewohner des Dorfes gingen von hier aus zu Fuß nach Bad Landeck (Lądek-Zdrój) auf den Bahnhofsplatz, nur Kinder und alte Leute fuhren in Fuhrwerken. Doch die Familie Paschilk ging nicht weg. Sie kam aus dem Oppelner Gebiet und er aus Pommern. Sie konnten ein wenig Polnisch und waren gezwungen, als Dolmetscher zu bleiben. Das gab ihnen die Möglichkeit, in der Gegend von Glatz zu bleiben. Es war eine ‚falsche Entscheidung der Eltern‘, wie Renata später in einem Fernsehinterview zugab. Renatas Eltern hatten kein Land, und der Vater, Anastazy – ein Schuhmacher, mußte fast alles an Steuerzahlungen abgeben. Marias ältere Schwestern konnten kein Polnisch, und obwohl sie vor dem Krieg das Gymnasium absolviert hatten, mußten sie einen Analphabetenkurs besuchen.
Renata lebte bis 1953 im Haus der Familie, dann zog sie nach Bad Landeck, wo sie als Buchhalterin arbeitete.
Nach der Unterzeichnung des Grenzvertrags und der Normalität der polnisch-deutschen Beziehungen im Jahr 1970 kam ein Strom von Vertriebenen in die Region Glatz, um ihre Heimat zu besuchen. „Die ehemaligen Bewohner von Heinzendorf und der Umgebung wohnten im Haus meiner Großmutter, wo sie sich unterhalten konnten. Meine Großmutter, und später auch meine Mutter begleiteten sie oft, wenn sie ihre ehemaligen Häuser und Bauernhöfe besuchten. Damals lernte meine Mutter viel über die Familiengeschichte, aber auch die Geschichte des Glatzer-Gebiets, sie spürte den Wert der Vergangenheit, über die die neuen Bewohner nichts oder nur sehr wenig darüber wussten“, sagt Karina.
Sie kaufte ein 200 Jahre altes, baufälliges, aber wunderschön gelegenes Haus am Hang des Blauen Bergs (Siniak, 658 m über dem Meeresspiegel) in Reyersdorf (Radochów), mit Blick auf das Tal und die Straße von Glatz nach Bad Landeck, mit dem Panorama des Reichensteiner Gebirges (Góry Złote) im Hintergrund. Es war früher das Lerchenfeld. Und so begann die Geschichte des Hauses Lerchenfeld. Tatkräftig unterstützt wurde sie dabei unter anderem von Edith Jacobs, der damaligen Bevollmächtigten für schlesische Kultur in Hamburg, die mit ihrer Familie aus Gompersdorf (Goszów) bei Seitenberg (Stronie Śląskie) stammte, Christoph Hoetzel vom Niederschlesischen Kulturforum, Martin Reichert, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziokultur in Waldenburg, und der Soziokulturellen Vereinigung in Waldenburg.
Renata Czaplinska war auch seit 1998 die Eigentümerin des Bauernhauses „Gottwaldhof“ in Winkeldorf (Kąty Bystrzyckie), ein sudetendeutsches Gebäude, das sie vor dem Vergessen rettete. Die rekonstruierten Gebäude sind ausgestattet mit typischen, traditionellen Einrichtungsgegenständen und Ausstattung, und sie hat die Einrichtung eines Wohnhauses nachgebaut in Zusammenarbeit mit dem langjährigen Direktor und Mitbegründer des Museums des Glatzer Landes (Muzeum Ziemi Kłodzkiej). Mit Krystyna Toczyńska-Rudysz entstanden Wechselausstellungen: Grafiken von Erich Fuchs, „Schlesische Spitzen“ und „Bunzlauer-Keramik“. In Zusammenarbeit mit dem Schlesischen Museum in Görlitz: „Reiseziel Schlesien“ und „In Glas verzauberte Heilige“.
Die jüngste Ausstellung, jetzt als Dauerausstellung, präsentiert die Besiedlung der Region Glatz.
Sie gründete eine Regionalbibliothek mit Schwerpunkt auf den schlesischen Dialekt, mit einer Fülle von Publikationen, die anderswo nicht erhältlich sind und eine Ausstellung wissenschaftlicher Leistungen.
Sie organisierte Workshops und jährliche Vorführungen: Brotbacken und Butterherstellung. Sie war eine der Gründerinnen des Kirchenrenovierungskomitees in Winkeldorf und dessen Schatzmeisterin.
Sie war die Gründerin des Kirchenrenovierungskomitees in Winkeldorf und dessen Schatzmeisterin sowie die Initiatorin der Idee, der Friedhofskapelle an der Kirche in Winkeldorf einen Namen zu geben. Gerhard Hirschfelder, der Selige des Glatzer Landes, ist ihr Namenspatron.
Auf ihre Initiative hin erhielt der Schülerchor der Bad Landeck-Grundschule originale regionale Trachten.
Ein deutsches Sprichwort besagt: Vaters Haus sollst du nie vergessen, alte Bräuche sollst du nie verachten. pol.: Vergiss nie deines Vaters Haus, vergiss und verachte nie alte Gewohnheiten.
Sie war die beste Expertin für die regionale Küche von Glatz.
Ihr ist es zu verdanken, dass die Stiftung „Kłodzka Wstęga Sudetów“ (Glatzer Bund der Sudeten) vier lokale Produkte registriert: das „schlesische Himmelreich“, ein Fleischgericht, das mit Nudeln serviert wird; Glatzer Streuselkuchen; Begle - ringförmiges Gebäck, das in der Fastenzeit gebacken wird; und Weihnachtshäppchen-Mohnkuchen („Moohkließlan“), hergestellt auf der Basis von Brötchen mit Mohn, Rum, Milch, Zucker und Mandeln.
Sie unterstützte Pater Stefan Witczak bei den Versöhnungsbemühungen zwischen Polen und Deutschen.
Solange sie die Kraft hatte, beteiligte sie sich aktiv an den Wanderungen der Gruppe von Michael Güttler auf den Spuren des Route des seligen Gerhard Hirschfelder und anderen Routen, die jedes Jahr durch die Glatzer-Region führten.
Das Haus Lerchenfeld hat regelmäßige Besucher, darunter unter anderem von der Schriftstellerin Monika Taubitz mit ihrer Freundin Anne Wachter. Beim Treffen der Autorin mit der Schriftstellerin aus Meersburg in der Kreis- und Stadt Kreis- und Stadtbibliothek 23. Mai 2024, waren auch anwesend Renata mit Karina. Eine Woche später erkrankte sie.
Im Jahr 2012 wurde sie mit dem Ehrenzeichen „Glatzer Rose“ verliehen von der Zentralstelle Grafschaft Glatz / Schlesien für die „Bewahrung [kultureller] Spuren, Weitergabe des Brauchtums der Region Glatz und der schlesischen Identität“. Es wurde überreicht Vorsitzenden Peter Großpietsch und Prälat Franz Jung.
Im Mai 2017 wurden Renata Czaplinska und Karina Fuglińska mit dem prestigeträchtigen Jerzy-Boniecki-Preis der Polcul-Stiftung für ihre langjährige soziale Arbeit für den Schutz und Popularisierung des kulturellen Erbes im Glatzer-Tal ausgezeichnet.
Im April 2022 wurde ihr die St.-Georgs-Ehrenmedaillen von der Stadtverwaltung von Bad Landeck verliehen „für die Einrichtung des Freilichtmuseums Gottwaldhof in Winkeldorf, für die Erhaltung und Popularisierung der Traditionen der Region Glatz“.
Renata Czaplińska wurde an Allerseelen im Familiengrab auf dem Friedhof in Heinzendorf beigesetzt. In einem Brief der Großdekans von Glatz würdigte er sie, der während des Gottesdienstes verlesen wurde.
Prälat Franz Jung würdigte die Verstorbene als eine bemerkenswerte Frau deren Leben eine Mission war und die ihre großen Verdienste um den Brückenbau und die Verständigung zwischen Deutschen und Polen, zwischen ehemaligen und heutigen Bewohnern des Landkreises Glatz.
Ihr Ableben ist ein großer Verlust.
Mit ihrem Ableben geht ein Teil der Kultur und Tradition des ehemaligen Kreises Glatz.
Der Tod dieser bemerkenswerten, außergewöhnlichen Frau hinterläßt nicht nur in ihrer Familie Schmerz und Trauer, sondern auch einen großen Kreis von Freunden und Bekannten.
Hoffentlich werden viele der Sitten und Gebräuche, die sie an ihre Tochter Karina Fuglińska und deren Mann Edward und an ihre Enkelkinder weitergegeben hat, erhalten.
Henryk Grzybowski
Übersetzt aus Ziemia Kłodzka Nr. 335 / Dez. 2024 von H. Wolf, Düsseldorf
in: Grafschafter Bote Nr. 03/2025


Renate Czaplinski verstorben
In ihrem Heim „Haus Lerchenfeld“ in Reyersdorf bei Bad Landeck verstarb am 30. Oktober 2024 Renate Czaplinski, geb. Paschilke, im Alter von 89 Jahren. Der Tod dieser so bemerkenswerten, besonderen Frau hinterläßt nicht nur in ihrer Familie Schmerz und Trauer, sondern auch in ihrem großen Freundes- und Bekanntenkreis. Zugleich ist er auch „ein großer Verlust für die Kultur und Tradition der Grafschaft Glatz“, wie ein polnischer Bekannter schrieb.

Im Innenhof des Gottwaldhofes (Winkeldorf)
im September 2023 (Foto: Michael Klar)
Renate Czaplinski wurde 1935 in Kunzendorf/Biele geboren, wuchs aber nach dem baldigen Umzug der Familie im benachbarten Heinzendorf auf. Bei der Vertreibung 1946 konnte die Familie Paschilke aufgrund polnischer Sprachkenntnisse der Eltern in der Heimat bleiben. „Eine falsche Entscheidung der Eltern“ war das, wie Renate später auch in einem Fernsehinterview im Hinblick auf die weitreichenden Folgen dieser Entscheidung bekannte.
Anfang der 1980er Jahre erwarb sie im Reyersdorfer Ortsteil Lerchenfeld direkt am Fuß des Blauen Berges ein altes, stark renovierungsbedürftiges Haus aus deutscher Zeit und restaurierte es komplett zusammen mit ihrer Tochter Karina und Schwiegersohn Edward. Nach der Wende entstand durch Erweiterung darin eine kleine Ferienpension, das „Haus Lerchenfeld“ (poln. „Dom Skowronki“). Dieses wurde fortan und bis heute das Ziel sehr vieler Grafschafter aus der Bundesrepublik, die sich in wirklich heimatlicher Atmosphäre stets herzlich willkommen und von der gastfreundlichen Familie liebevoll betreut fühlten, auch bei der Einkehr zu Tagesbesuchen während der vielen Busreisen.
In den 1990er Jahren entstand neben dem Gästehaus als Erinnerungsbeispiel eines kleinen Grafschafter Häusels das „Derhääme-Häusla“, tatkräftig unterstützt von der aus Gompersdorf stammenden Edith Jacobs mit Familie.
Ebenso machte sie sich mit der ihr eigenen starken Willenskraft und unermüdlichen Ausdauer im nahegelegenen Winkeldorf an die Rettung des von ihr damals erworbenen, aber völlig dem Verfall preisgegebenen Gottwaldhofes. Im Verlauf der letzten 25 Jahre gelang ihr mit der mustergültigen Restaurierung dieses stattlichen historischen Vierseithofes der Erhalt eines wertvollen Beispiels der bäuerlichen Kultur der Grafschaft Glatz. Der Hof ist in dieser erfreulicherweise auch lebendig genutzten Form heute wohl einzigartig im Glatzer Land.
Diese unermüdlichen Anstrengungen Renate Czaplinskis waren Ausdruck des stetigen Bemühens, ja ihres Drangs danach, „zu bewahren und zu erhalten“, wie sie immer wieder bekannte.
Für ihre großen Verdienste, Spuren in der Heimat zu hinterlassen und für die Weitergabe und Vermittlung Grafschafter Brauchtums und schlesischer Identität wurde sie u.a. auch 2012 mit dem Grafschafter Ehrenzeichen „Glatzer Rose“ geehrt, das ihr Peter Großpietsch überreichte.

V.l.n.r.: Großdechant Franz Jung, Renata Czaplinski, Peter Großpietsch
bei der Verleihung der „Glatzer Rose“ 2012 (Foto: Grafschafter Bote 7-8/2012)
Renate Czaplinski wurde am Allerseelentag nach dem Trauergottesdienst in der Heinzendorfer Kirche auf dem Kirchhof ihres Heimatortes im Familiengrab beigesetzt. Großdechant Franz Jung würdigte in seinem während des Gottesdienstes verlesenen Schreibens die Verstorbene als „eine außergewöhnliche Frau“, deren Leben Sendung gewesen sei und wies auf ihre großen Verdienste als Christin im Brückenbau und der Verständigung zwischen Deutschen und Polen hin, zwischen früheren und heutigen Bewohnern der Grafschaft Glatz.
Liebe Renate, für all Dein großes Wirken ein tiefes „Vergelt’s Gott“! Ruhe in Gottes Frieden!
Anmerkung: Zu den hinterlassenen sichtbaren Spuren von Renate Czaplinski gehört auch ein Interview mit ihr in einem ARD-Fernsehbeitrag von 2014, in dem neben anderen auch sie selbst und ihre Familie ausführlich zu Wort kommen. Der wertvolle, lohnenswerte Bericht „Polen und seine Deutschen“ ist unter diesem Titel bei YouTube zu finden.
Text: Michael Güttler
in: Grafschafter Bote Nr. 12/2024

Der ARD-Fernsehbeitrag „Polen und seine Deutschen“ von 2014
(Screenshot) ist bei YouTube zu finden unter:
https://www.youtube.com/watch?v=y2WQlLvAn1A

Polnische Traueranzeige (aus Facebook: Skansen Gottwaldówka)
Übersetzung der obigen Traueranzeige:
Sie wird immer in unserer Erinnerung bleiben
Renata Czaplińska
Liebe Freunde und Bekannte, liebe Gäste, wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, dass Renata Czaplińska, die Gründerin von Skansen Gottwaldówka, verstorben ist.
Renata liebte das Glatzer Land und verfügte über ein großes Wissen über sie, nicht nur über das Wissen, das wir in Büchern finden können, sondern auch über das Alltagsleben und die Volksbräuche, z.B. wie man einen Kuchen auf traditionelle Weise anschneidet, welche Lieder gesungen wurden, was die Mädchen am Ostermorgen taten, um ihre Schönheit zu erhalten. Sie war eine der letzten, die den Dialekt der Grafschaft Glatz noch kannte. Sie hatte den Wandel der Geschichte miterlebt und wollte den Teil davon bewahren, zu dem sie gehörte. Dies gelang ihr mit der Gründung des Freilichtmuseums Gottwaldhof. Ihre Leidenschaft war ansteckend, so dass Renata viele Menschen um sich scharte, die ihr bei der Verwirklichung ihres Traums halfen.
All jenen, die Teil ihres Lebens waren, danken wir von ganzem Herzen.
Der Glatzer Gebirgs-Verein (GGV) Braunschweig e.V. hat Renate Czaplinski am 17. August 2024 für ihre 25-jährige Mitgliedschaft mit dieser Urkunde geehrt. Die Verleihung erfolgte wegen ihrer Erkrankung in Abwesenheit und wurde posthum ihrer Tochter Karina übersandt.

Urkunde für 25-jährige Mitgliedschaft im Glatzer Gebirgs-Verein
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